Gemeinsam mit mehr als 200 Vertretern von Kommunen hat der DGB Hessen-Thüringen in diesem Sommer die Initiative „Vorfahrt für Kommunen – Kommune sind wir“ gestartet. Unterschrieben haben den Aufruf nicht nur Gewerkschafter, sondern auch Politiker quer durch alle Parteien. Eine breite, parteiübergreifende, gesellschaftliche Übereinkunft also.
Der Hintergrund sind die Kürzungspläne des Landes. 400 Millionen Euro will die Landesregierung bei den Städten und Gemeinden streichen, und zwar beim kommunalen Finanzausgleich. Dadurch wird es den sowieso schon finanziell schwächelnden Städten und Gemeinden wahrscheinlich endgültig an den Kragen gehen. Einer der Bürgermeister aus dem Main-Kinzig-Kreis, die Stefan Körzell bei der Gelnhausen-Station seiner Sommertour traf, beschrieb es so: „Wir werden in die Geschichte eingehen, als diejenigen, die ihre Kommunen zum Abgrund geführt haben.“ Landrat Erich Pipa will sogar eine Klage anstrengen gegen das Land. Denn, so Pipa, “alle 21 hessischen Landkreise sind finanziell unter Wasser.“ Das Land müsse dem verfassungsmäßigen Auftrag nachkommen und die Kommunen angemessen finanziell ausstatten.
Vor der Station in Gelnhausen besuchte Körzell die Kirchen im Landkreis Offenbach. In einem Gespräch mit dem evangelischen und dem katholischen Dekan, Carsten Tag und Rainhold Massoth und dem Sozialdezernenten des Landkreises, Carsten Müller, ging es um das Sparpaket der Bundesregierung. „Wer wenig hat, dem wird genommen“, so bringen es die Kirchenvertreter auf den Punkt. Wie und vor allem bei wem kommt die Not im Kreis an? Das schilderte sehr anschaulich Ingeborg Strasser, die sich im Brotkorb Rödermark-Urberach engagiert. Dort werden sehr preiswerte Lebensmittel für notleidende Menschen angeboten. Ingeborg Strasser sagte: “Es ist beschämend, wie schlecht es manchen Menschen geht und wie weit die Verzweiflung schon in die Gesellschaft hineinreicht.“
In Wiesbaden zum Beispiel sind 25 Prozent der Kinder unter 7 Jahren als arm zu bezeichnen. Sie sind auf Transferleistungen angewiesen. Armut heißt oft auch Bildungsarmut. Und das bedeutet: später keine gute Ausbildung, keinen oder keinen guten Job. Hier kümmert sich zum Beispiel die BauHaus Werkstätten mit Qualifizierung. In ihrem Secondhand KaufHaus werden nicht nur Jugendliche fit gemacht für den Arbeitsmarkt. Dort können auch preiswerte Möbel gekauft werden.
Bei der Müllabfuhr in Hanau ließ sich Körzell den Betriebshof zeigen. Die Stadt Hanau ist eine der Kommunen, die sich noch eine eigene städtische Müllabfuhr leistet und diesen Service nicht ausgegliedert hat. Außerdem ist der Kitaplatz für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren frei. Und Hanau betreibt zwei Schwimmbäder. Oberbürgermeister Claus Kaminsky: „Wir versuchen, den Bürger möglichst wenig spüren zu lassen von unserer Finanzmisere. An kommunalen Leistungen wollen wir nicht sparen. Denn sie sind die Grundlage unserer Demokratie.“ Trotzdem: gespart werden muss auch in Hanau. So hat sich der Magistrat von ehemals 5 Hauptamtlichen auf 3 verkleinert. Und Personalrat Ralf Nix beschreibt die Personaldecke bei der Müllabfuhr als stellenweise sehr dünn.
An Personal fehlt es überall. Das wurde auch bei den Klinikbesuchen der Sommertour deutlich. Im Klinikum Darmstadt erfuhr Körzell, dass es dort vor allem an OP-Schwestern mangelt. Im Gesundheitszentrum Erbach im Odenwald, dem Kreiskrankenhaus, fehlen Ärztinnen und Ärzte. Personelle Unterdeckung also einmal wegen des Zwangs zum sparen, aber auch weil Fachkräfte nicht zu bekommen sind. Es wird zusammengelegt und umstrukturiert. Stellen, die frei werden, bleiben erstmal unbesetzt. Spürbar ist die Finanznot auch bei notwendigen baulichen Arbeiten. Der Betriebsrat des Odenwaldkrankenhauses: „Wenn wir früher sanieren wollten, bezahlte das alles der Kreis. Heute müssen wir einen Kredit aufnehmen, denn der Kreis ist pleite.“
Am Mittwoch, den 18. August besuchte Stefan Körzell die Gemeinde Niedenstein im Landkreis Schwalm-Eder. Die Gemeinde erwägt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Kürzungen. Sie ist der Meinung, dass die vom Land zugewiesenen Mittel nicht für die Aufgaben ausreichen, die das Land der Gemeinde erteilt hat. Gemeinsam mit Bürgermeister Werner Lange besuchte Körzell eine Kindertagesstätte und das Hallenbad.