Deutscher Gewerkschaftsbund

Gute Arbeit im Bezirk Hessen-Thüringen

16.07.2013

Körzell:„Öffentliche Auftragsvergabe muss Vorbild sein“

Buch

DGB/Jasmin Romfeld

Anlässlich der heutigen Vorstellung des Buches Schwarzbuch Vergabe in Frankfurt am Main erklärt der DGB-Bezirksvorsitzende Stefan Körzell:

„Jeder bzw. jede fünfte Beschäftigte in Hessen arbeitet mittlerweile zu einem Niedriglohn. Und das, obwohl Hessen im Vergleich mit anderen Bundesländern wirtschaftlich betrachtet sehr gut dasteht. Der DGB Hessen-Thüringen fordert Tariftreueregelungen, weil sie ein wesentliches Instrument sind, um die Tarifbindung zu erhöhen und Lohndumping zu verhindern. So etwas in einem Hessischen Vergabegesetz zu verankern und damit die öffentliche Auftragvergabe steuern zu können, war nicht der politische Wille der hessischen Landesregierung. Der Gesetzentwurf von CDU und FDP, der aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im März dieses Jahres verabschiedet worden ist, erteilt Tariftreueregelungen eine Absage. Dass es anders gehen könnte, haben die Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen gezeigt. Dass es anders geht, zeigen die Beispiele anderer Bundesländer.

Das vorliegende Buch schildert sehr anschaulich die Arbeits- und Einkommenssituation auf öffentlichen Baustellen, im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs und im Landesbetrieb Hessen-Forst. Es macht einmal mehr deutlich, weshalb wir ein Tariftreue- und Vergabegesetz brauchen, das seinen Namen verdient. Nur mit einem Politikwechsel in Hessen sieht der DGB Hessen-Thüringen eine Chance, den Kampf gegen Niedriglohnbeschäftigung ernsthaft anzugehen.“

Dr. Kai Eicker-Wolf, Referent für Wirtschafts- und Strukturpolitik beim DGB-Bezirk Hessen-Thüringen, zusammen mit Christian Axnick und Liv Dizinger Co-Autor des Schwarzbuchs:

„Die hessische Landesregierung unter Volker Bouffier (CDU) und Jörg-Uwe Hahn (FDP) hat in der Vergangenheit jeder Maßnahme eine Absage erteilt, die Lohndrückerei und Niedriglöhne verhindern will. Außer Hessen sind es nur noch Bayern und Sachsen, die ihre Aufträge nicht an die Bezahlung von Tariflöhnen binden. Die Folge: In Hessen erhalten häufig Unternehmen öffentliche Aufträge, die ihre Beschäftigten unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten lassen. Bezahlt werden bestenfalls Armutslöhne, auf öffentlichen Baustellen werden die Beschäftigten oft um ganze Monatslöhne betrogen.

In unserem Schwarzbuch beschreiben wir die Folgen dieser Politik, sei es an öffentlichen Baustellen, in der Forstwirtschaft oder im öffentlichen Personennahverkehr. Wir sind dabei zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen: In Hessen nimmt die von CDU und FDP gebildete Landesregierung Lohndumping, Armutslöhne und auf Baustellen schlimmste Formen von Ausbeutung wissentlich in Kauf.“

Mahmut Bas, Betriebsratvorsitzender der In der City Bus GmbH in Frankfurt: „In der Ausschreibung von Aufträgen im Verkehrsbereich spielt der Preis die entscheidende Rolle. Wer den niedrigsten bietet, erhält den Zuschlag. Die Qualitätsversprechen an die Kundinnen und Kunden können da im Zweifelsfall nicht eingehalten werden. Das bedeutet dann Wechsel der Verkehrsunternehmen und Linien, Verspätungen, überfüllte Busse und Bahnen sowie steigende Ticketpreise. Im ländlichen Raum stellt sich schon die Frage, ob überhaupt ein Bus kommt.

Für die Beschäftigten bedeutet diese Art der Preisbildung Lohndumping. Tarifliche Spielräume zeichnen sich da wenig ab. Jemand, der fünf Jahre angestellt ist, erhält brutto zwischen 1.800 und 2.200 Euro. Das ist beinahe viel in unserem Bereich und doch Niedriglohn in Vollzeitbeschäftigung, die Kolleginnen und Kollegen gehen aufstocken. Von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ganz zu schweigen. Dabei ist es naheliegend, die Kolleginnen und Kollegen beispielsweise in Deeskalationstrainings zu schicken. Die gesetzlichen Vorgaben schreiben fast alles vor – außer den Löhnen und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Hessen hat aufgrund fehlender Tariftreue das niedrigste Lohnniveau im Bereich des Fahrpersonals unter allen Bundesländern. Ein Tariftreue- und Vergabegesetz würde hier endlich einen dringend benötigten Boden einziehen.“

 

Hinweis

Das Schwarzbuchvergabe kann über den Büchner Verlag Darmstadt bezogen werden http://www.buechner-verlag.de/index.php/programm/schwarzbuch-vergabe

Autorenangaben

Christian Axnick arbeitet als freier Journalist in Marburg.

Liv Dizinger arbeitet als Referentin für Wirtschafts- und Strukturpolitik beim DGB-Bezirk Hessen-Thüringen.

Kai Eicker-Wolf arbeitet als Referent für Wirtschafts- und Strukturpolitik beim DGB-Bezirk Hessen-Thüringen.

 

 

 

 

 


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