Die Sommertour 2016 stand in diesem Jahr im Zeichen der „Offensive Mitbestimmung“ des DGB. Zusammen mit dem DGB-Vorsitzenden, Reiner Hoffmann, waren die Bezirksvorsitzende, Gabriele Kailing, sowie der stellv. Bezirksvorsitzende, Sandro Witt, vom 29. August bis zum 1. September erst in Hessen und dann in Thüringen unterwegs.
Sie haben unter anderem besucht den Arzneimittelhersteller Merck in Darmstadt, das Generatorenwerk von Siemens in Erfurt, den Internetversandhändler Amazon am Standort Bad Hersfeld, Rinn Beton- und Naturstein in Heuchelheim, Autobahnraststätte Autogrill bei Eisenach und Norma Germany, den Automobil- und Luftfahrtindustriezulieferer in Maintal.
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Innovationskraft der Beschäftigten unverzichtbar - zu Gast bei Merck in Darmstadt
Die Sommertour startete am Montagnachmittag, 29. August 2016, beim Darmstädter Arzneimittelhersteller Merck, wo rund 9.000 Beschäftigte arbeiten. Dort haben Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung einen großen Stellenwert. Dass die besonders wertvoll sind, zeigt sich an den Projekten des Betriebsrates mit dem Arbeitgeber zum Thema Digitalisierung. Deren Auswirkung auf das Arbeiten in der Pharmaindustrie wollen sie gemeinsam gestalten. Dafür steht das Innovationszentrum von Merck. Darüber hinaus gibt es zahlreiche gemeinsame Initiativen der IG BCE mit dem Arbeitgeber, um Gute Arbeit und Ausbildung mit Perspektive zu ermöglichen.
Mit einer starken Mitbestimmung durch hoch und tief - zu Gast bei Norma Group Germany in Maintal
Am Vormittag des zweiten Tages waren Hoffmann, Kailing und Witt zu Gast bei Norma Group Germany in Maintal, einem Zulieferer u.a. für die Automobil- und Luftfahrtindustrie mit 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Standort Maintal. Weltweit sind es rund 6.000. Der Betrieb ist ein Beispiel dafür, dass Betriebsräte und Gewerkschaften gerade in Veränderungsprozessen und Krisenzeiten unverzichtbar sind. Der ehemalige Familienbetrieb (ehm. Rasmussen GmbH), der 2006 an einen Finanzinvestor verkauft worden ist, hat die Tarifbindung auch während der Weltwirtschaftskrise nicht aufgegeben. Norma hat zudem seit 2012 einen Europäischen Betriebsrat.
Flexibilität, die den Beschäftigten nutzt - zu Gast bei Rinn Beton- und Naturstein in Heuchelheim
Die nächste Station war am Nachmittag Rinn Beton- und Naturstein in Heuchelheim bei Gießen. Das mittelständische Familienunternehmen mit 115jähriger Geschichte hat ein Modell für die Jahresarbeitszeit entwickelt, das persönliche Bedürfnisse der über 450 Beschäftigten ebenso wie betriebliche Anforderungen berücksichtigt. Hier geht den Beschäftigten keine gearbeitete Minute verloren. Rinn stellt Betonstein-Produkte für private Hausgärten und öffentlichen Außenanlagen her.
Und sie geben nicht auf - zu Gast bei den Beschäftigten von Amazon in Bad Hersfeld
Am Vormittag des 31. August machten Hoffmann, Kailing und Witt Station in Bad Hersfeld, um am dortigen Standort des Internet-Versandhändlers Amazon mit Beschäftigten zu sprechen. Seit Jahren kämpfen die Beschäftigten nun mit der Gewerkschaft ver.di u.a. für die Anerkennung der Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels Hessen und für bessere Arbeitsbedingung. Amazon lehnt die Forderung bis heute ab und ist nicht bereit, mit ver.di darüber zu verhandeln. Stattdessen orientiere man sich nach eigenen Angaben an der Entlohnung für die Logistikbranche. Die fällt allerdings geringer aus. Neben einer besseren Bezahlung stehen gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen im Fokus. Hohe Krankenquoten sind ein Ausdruck von Arbeitsdruck, vielfältiger Belastungen und mangelnder Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Auch darüber will ver.di tarifvertragliche Regelungen verhandeln.
DGB Hessen-Thüringen
Weil Kämpfen sich lohnt - im Gespräch mit dem Betriebsrat von Autogrill bei Eisenach
Danach ging es weiter nach Thüringen, wo sie bei Autogrill, der Autobahnraststätte an der A4 bei Eisenach mit dem Betriebsrat über die Erfahrungen nach einem Jahr „Tarifvertrag bei Autogrill“ sprachen. Dem war eine monatelange Auseinandersetzung vorausgegangenen, die die Beschäftigten mit Hilfe der Gewerkschaft NGG für sich entschieden hatten.
Qualifikation, Innovation, mitbestimmt - zu Gast bei Siemens in Erfurt
Am letzten Tag der Tour ging es zur Siemens AG Power and Gas nach Erfurt. Am Standort Erfurt mit über 700 Beschäftigten werden Generatoren für den Bereich der Erneuerbaren Energien produziert. Hier finden Engineering, Fertigung, Einkauf und Vertrieb an einem Standort statt. Erfurt ist das weltweite Zentrum für alle luftgekühlte Generatoren (< 370 MVA für den 50 und 60 Hz-Markt) und Komponentenlieferant für alle Generatoren bei Power and Gas in der Siemens AG. Künftig soll eine Serienfertigung von Windstatorsegmenten am Standort Erfurt erfolgen. Um das in Erfurt zu ermöglichen, wird die Digitalisierung der Produktion am Standort entwickelt. In den vergangenen Jahren haben die Beschäftigten und Betriebsräte von Siemens zusammen mit der IG Metall bewiesen, dass Standort- und Beschäftigungssicherung auch in schwierigen Zeiten machbar ist. Qualifikation der Beschäftigten und Innovation mit den Beschäftigten haben dazu beigetragen, im Siemens im Bereich der erneuerbaren Energien einen festen Stand am Markt zu verschaffen. Unter dem Motto „Mensch vor Marge“ setzen sie sich dauerhaft für eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens ein.
Mehr zum Thema der Tour 2016
Mitbestimmung im Betrieb
Digitalisierung und Globalisierung stellen die Mitbestimmung vor neue Herausforderungen. Tagtäglich versuchen Betriebs- und Personalräte, den Schutz von Beschäftigteninteressen zu wahren und zugleich den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Sie sind unverzichtbare Partner, wenn es um die Entwicklung und Einführung von Innovationen und die Motivation von Beschäftigten geht.
Wer in einem mitbestimmten Betrieb oder Unternehmen arbeitet, hat mehr davon. Betriebsräte kontrollieren die Einhaltung von Tarif- und Betriebsvereinbarungen. Sie sind aktiv bei der Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung, dem Gesundheitsschutz und sie sind dabei, wenn Personal- und Unternehmensentscheidungen anstehen. Noch mehr hat, wer in einem tarifgebundenen Unternehmen oder Betrieb arbeitet. Mehr Gehalt, mehr Urlaub, und Arbeitszeit- und Entgeltregelungen, die sie oder er nicht alleine mit dem Arbeitgeber aushandeln muss. Das machen die Sozialpartner – Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
Tarifbindung sinkt
Die Zahl der tarifgebundenen Betriebe geht jedoch zurück. In Hessen waren es laut IAB Betriebspanel 2015 nur noch 32 Prozent (in 2000: 46%). In Thüringen waren es gut 22 Prozent (in 2000: 24 %). Durch sogenannte OT-Mitgliedschaften (ohne Tarifbindung) tragen Arbeitgeberverbände mit dazu bei, dass Tarifflucht zum verbreiteten Mittel der Ausbeutung geworden ist. Damit einhergehend geraten Mitbestimmungsstrukturen immer wieder unter erheblichen Druck. Dazu gehören die Verhinderung von Betriebsratswahlen, die Umgehungen von Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat oder die Umgehung von Unternehmensmitbestimmung durch Umwandlung in eine andere Rechtsform.