DGB Hessen-Thüringen/Fritzel
Die Kasseler Stadtreiniger sind mustergültig, was ihren Organisationsgrad angeht. Von 360 Beschäftigten der signalorange gekleideten Männer und Frauen sind zurzeit mehr als 305 Mitglied der Gewerkschaft verdi. „Das ist ein Rekordwert in Hessen und auch darüber hinaus“, freut sich der Personalratsvorsitzende Dirk Fleischer. Deswegen gab es auch ein großes Hallo, als der DGB-Bezirksvorsitzende Körzell am Freitag morgen um 10 vor 6 Uhr bei ihnen zum Ankleiden auf der Matte stand. Vier ganze Stunden wollte Körzell mitfahren. „Das ist super“, freuten sich die Kollegen, „denn normalerweise kommen Politiker und auch höhere Verbandsvertreter höchstens mal für ein Foto und verschwinden dann wieder.“ Nicht so Körzell. Der wollte mittendrin sein. Die Tonne stemmen, den Biomüll riechen, auf den Wagen springen. 10 Tonnen machen die Männer in den dreieinhalb Stunden bis 10 Uhr morgens. „Und bei jedem Haus riecht der Biomüll anders, das hätte ich nie gedacht“, erzählt Körzell.
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Die Biotonne ist in Kassel grade ein Zankapfel. An ihrem Erscheinen und Geruch entzünden sich wütende Streits. Denn die Abfallsatzung ändert sich im kommenden Jahr. Mehr Biotonnen will die Politik unterstützt das durch die Gebührengestaltung. Auf die große Mehrheit der Kasseler gesehen, so heißt es, verbilligt sich die Müllabfuhr. Für einzelne wird es allerdings teurer. Die fühlen sich dadurch benachteiligt. Müll und was seine Beseitigung kostet, ist ein hochemotionales Thema. Die regionale Zeitung greift das nur zu gern auf. Sie schreibt alle paar Tage ausführliche Berichte darüber und füllt so ihr Sommerloch.
Die Kollegen vom Biomüllwagen haben ganz andere Probleme. Ihre Tour gilt als die härteste. Der nasse Müll klebt oft, und weigert sich sozusagen, die Tonne in Richtung Müllcontainer zu verlassen. Durch Gärprozesse ist der Müll auch mal leicht explosiv. „Einmal ist den Kollegen beim Leeren über ihrem Kopf die Tonne zerknallt,“ erzählt der Fahrer. „Alles lief über sie. Die durften mir nicht mehr in mein Führerhaus kommen. Die mussten schön draußen auf dem Wagen stehen bleiben.“
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Für all das gibt es Erschwernis- und Schmutzzulagen. Aber die werden immer nur befristet gewährt, müssen dann wieder neu verhandelt werden. Das finden die Kollegen ungerecht. „Sie müssten uns doch mal einen Bestand gewähren, schon allein dafür, dass wir immer da sind. Das wäre nur fair und auch Anerkennung für unsere Arbeit.“ Der Betriebsleiter Gerhard Halm sagt, er müsse die Kosten niedrig halten, denn ihm setze die private Müllkonkurrenz zu. „Die picken sich doch nur das heraus, womit sich leicht Geld verdienen lässt und den Rest, den dürfen die städtischen abholen. Das macht es halt auch teurer. Müll gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir finden, da sollen die privaten Unternehmen die Finger von lassen. Die sollen sich was anderes zum Geld verdienen suchen. Wir machen das und zwar kompetent. Und wir wollen alles machen, Bio, Papier, Restmüll. Wir wollen den vollen Service anbieten. “ Da nicken die Kollegen von der Tour. Sie sind gerne in ihrem Betrieb, sie machen sich Gedanken über dessen Zukunft, engagieren sich. Aber jetzt müssen sie wieder raus. 30 Tonnen Biomüll sind heute noch reinzuholen.
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