DGB / Hanna Hoeft
Dem Thema Tariftreue und Vergabe wird unter der Überschrift „Öffentliche Aufträge fair und wirtschaftlich vergeben“ eine knappe Seite gewidmet. Hier wird angekündigt, dass Ziel einer anstehenden Gesetzesreform des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes (HVTG) solle die „Vereinfachung und Beschleunigung von Vergabeverfahren“ sein – „Mittelstandsfreundlichkeit in der Anwendung und die Nachhaltigkeit der Beschaffung“ sollen gestärkt werden. Diese Punkte verheißen aus gewerkschaftlicher Sicht in der Regel nichts Gutes, denn sie führen häufig zum Abbau sinnvoller Regulierungen.
Positiv zu bewerten ist allerdings, dass auf „die Einhaltung und Kontrolle des Mindest- oder Tariflohns durch die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer und deren Subunternehmen […] ein besonderes Augenmerk“ gelegt werden soll. Eine sachgerechte Kontrolle von Löhnen ist aber nur durch eine eigens hierfür einzurichtende Kontrollbehörde möglich.
Insgesamt muss die angekündigte Novellierung auf Basis der anstehenden Evaluierung des HVTG als enttäuschend bewertet werden. So werden zentrale gewerkschaftliche Forderungen, wie die Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns oder die Aufnahme der ILO-Kernarbeitsnormen, nicht aufgegriffen.
Überraschenderweise findet sich im Koalitionsvertrag unter dem kurzen Absatz mit der Überschrift „Arbeit flexibilisieren und mehr Zeit für Familie“ der folgende Satz: „Wir werden die Sozialpartnerinnen und Sozi-alpartner dabei unterstützen, der sinkenden Zahl der Flächentarifverträge entgegenzuwirken, um sie als wichtiges Instrument der sozialen Marktwirtschaft wieder zu steigern.“ Dies ist zu begrüßen, da der wich-tigste Grund für die Ausdifferenzierung der Markteinkommen und der Ausweitung des Niedriglohnsektors die abnehmende Tarifbindung ist.
Eine zentrale gewerkschaftliche Forderung vor der Landtagswahl lautete, die Wirtschaftsförderung und regionale Strukturförderung an soziale Kriterien zu binden. Zu den wichtigsten Förderprogrammen im Bereich der regionalen Strukturpolitik gehören die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung. Der DGB setzt sich dafür ein, dass nur noch solche Unternehmen subventioniert werden, die tarifvertraglich vereinbarte Löhne zahlen, prekäre Arbeit (Befristungen, Minijobs, Leiharbeit, Werkverträge usw.) reduzieren sowie Mitbestimmung ermöglichen. Diese Forderung wurde jedoch nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Dadurch besteht die Gefahr, dass in Hessen Lohnunterbietung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen mit öffentlichen Fördergeldern unterstützt werden.
Positiv zu bewerten ist hingegen, dass CDU und Bündnis 90/Die Grünen an dem Ziel regionaler Strukturpolitik, gleichwertige Lebensbedingungen herzustellen, festhalten möchten. Dieses Ziel ist nicht nur im Grundgesetz, sondern jetzt auch in die Landesverfassung aufgenommen worden. Allerdings fehlt im schwarz-grünen Koalitionsvertrag die explizite Erklärung, dass regionale Strukturförderung vorrangig strukturschwachen und besonders vom Strukturwandel bedrohten Regionen zukommen soll. Was die EU-Förderung anbelangt, bezieht sich der Koalitionsvertrag auf den Förderzeitraum 2014 bis 2020. Die EU hatte angekündigt, die Fördermittel ab 2021 zu kürzen. Weil die Legislaturperiode von Schwarz-Grün über 2021 hinaus geplant ist, hätte sich der Koalitionsvertrag auch mit der gekürzten EU-Förderung ab 2021 beschäftigen müssen. Der DGB erwartet von der schwarz-grünen Landesregierung, dass die Kürzungen durch Landesgelder kompensiert werden.
Des Weiteren fehlt im Koalitionsvertrag nach wie vor eine institutionelle Förderung arbeitnehmerorientierter Einrichtungen, die betriebliche Interessenvertretungen professionell beraten. Wirtschaftsförderung und regionale Strukturförderung kommt bislang ganz überwiegend Arbeitgebern und arbeitgebernahen Instituten zugute. In ihrem Koalitionsvertrag erklären CDU und Bündnis 90/Die Grünen, dass sie eine „Serviceeinheit aufbauen“ wollen, „die Interessierten bei der Beantragung europäischer Fördermittel zur Seite steht“. Der DGB erwartet, dass diese auf die Arbeitnehmerseite ausgerichtet wird, damit mehr arbeitnehmerorientierte Projekte generiert werden können.
Der DGB begrüßt, dass CDU und Bündnis 90/Die Grünen einen „Hessischen Industrietrialog“ unter Beteiligung der Landesregierung, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften einrichten möchten, in dem Konzepte zur Zukunft des Industriestandorts erarbeitet werden sollen. Die Transformation der Industrie ist nicht allein eine technologische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung. Wir sprechen uns dafür aus, dass der Trialog die Auswirkungen des Strukturwandels auf die Beschäftigten in den Fokus nimmt und sich auf die Bewältigung künftiger Herausforderungen wie etwa den Klimawandel, den Energie- und Verkehrsumstieg sowie die Digitalisierung konzentriert. Auf Basis regelmäßiger Strukturberichte sind Handlungsbedarfe aufzuzeigen und Maßnahmen im Sinne der Beschäftigten einzuleiten. Gemeinsam mit den Trialog-Partnern ist zu diskutieren, wie mehr Beschäftigung, Tariflöhne und gute Arbeitsbedingungen geschaffen und gesichert werden können. Der Fokus des Trialogs sollte auf Branchen gerichtet werden, die besonders vom Strukturwandel und der sozial-ökologischen Transformation betroffen sind. Dabei muss die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Ausrüster, Zulieferer und Dienstleister in den Blick genommen werden. Wir sprechen uns dafür aus, dass der Trialog wissenschaftlich begleitet und die Expertise betrieblicher Interessenvertretungen miteinbezogen wird.
Große Veränderungen werden insbesondere für die Beschäftigten in der Automobil- und Zulieferindustrie erwartet, die in Hessen zu den größten Arbeitgebern zählt. Als technologische Treiber gelten insbesondere Elektromobilität, Industrie 4.0 und autonomes Fahren. Für die Beschäftigten kommt es darauf an, dass Antworten darauf gefunden werden, wie hochwertige Beschäftigung gesichert und wie die Mobilität der Zukunft aussehen und gestaltet werden kann.
Der DGB begrüßt, dass die Koalitionäre die „Initiative Gesundheitsindustrie Hessen“ unter Beteiligung der IG BCE, der Arbeitgeber, der Hochschulen und der Landesregierung fortsetzen möchten.
Aus Sicht des DGB ist es positiv, dass CDU und Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Koalitionsvertrag einen Schwerpunkt auf das Thema „Digitalisierung“ legen. Allerdings geht der Koalitionsvertrag an dieser Stelle nicht weit genug. Es ist geplant, ein Ministerium für digitale Entwicklung einzurichten. Im Rahmen einer Digitalisierungsoffensive soll insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden. Wir erwarten, dass die schwarz-grüne Landesregierung hierbei nicht einseitig die Interessen und Belange der Wirtschaft bedient.
Die Digitalisierung hat einen fundamentalen Wandel für die Beschäftigten zur Folge, der sowohl Chancen, als auch Risiken enthält. Für die Beschäftigten kommt es darauf an, dass die neuen Technologien gezielt für eine humanere Arbeitswelt genutzt werden. Die Bewältigung des Wandels wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Beschäftigten an dessen Umsetzung beteiligt werden. Die Digitalisierungsgewinne dürfen nicht einseitig den Unternehmen, sondern müssen auch den Beschäftigten zugutekommen.
Wir erwarten, dass das neue Digitalministerium die Folgen der technologischen Entwicklung für die Beschäftigten in den Fokus nimmt. Es muss sichergestellt werden, dass sich das neue Ministerium im Sinne seiner Digitalisierungsstrategie für „Gute Arbeit“, für Beschäftigungssicherung und für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzt. Neben Fragen der Qualifizierung, geht es hier insbesondere um die folgenden Themen: Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Tarifbindung und Mitbestimmung. Die Herausforderungen der technologischen Entwicklung können nur dann erfolgreich bewältigt werden, wenn die Tarifbindung erhöht, die Mitbestimmungsrechte verbessert sowie die Betriebs- und Personalräte gestärkt werden. Digitalisierung hat immer auch eine gesellschaftspolitische Dimension. So geht es nicht nur um die Umsetzung technologischer Verfahren, sondern auch um die Frage, wie die Demokratie und der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gesichert und verbessert werden können. Der DGB spricht sich für die Bildung einer Kommission aus, die das neue Digitalministerium zu den genannten Themen begleitet und berät. Die Kommission sollte sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums, der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften zusammensetzen.
Auch in Bezug auf die geplante Digitalisierungsoffensive geht der Koalitionsvertrag nicht weit genug. So kommen die Förderprogramme im Bereich Digitalisierung bislang überwiegend der Unternehmensseite zugute. Wir erwarten daher, dass im Rahmen einer Novellierung der Förderprogramme arbeitnehmerorientierte Bildung und Beratung stärker berücksichtigt werden. Laut Koalitionsvertrag liegt ein Schwerpunkt der Landesregierung im Bereich Forschung. Der DGB fordert die Landesregierung dazu auf, ein Sonderforschungsprogramm zur „Digitalisierung der Arbeitswelt“ auf den Weg zu bringen, das die sozialen Folgen der technologischen Entwicklung erfasst.
Im Koalitionsvertrag bekräftigen CDU und Bündnis 90/Die Grünen, an den Zielen des Klimaschutzplans 2025 und des Energiegipfels festzuhalten. Nach dem Klimaschutzplan soll Hessen bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität erreichen. Als neues Zwischenziel wird eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent genannt. Im Rahmen des Energiegipfels ist vereinbart worden, dass der Endenergieverbrauch (Strom und Wärme) bis 2050 möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden soll. Außerdem ist vereinbart worden, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie auszuweisen.
Der DGB begrüßt, dass die Koalitionäre an den vereinbarten Zielen festhalten und die Energiewende stärker mit einem Umstieg im Verkehrs- und Wärmsektor verknüpfen möchten. Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem vor, die energetische Gebäudesanierung stärker voranzutreiben. Auch wenn im Koalitionsvertrag vermehrte Anstrengungen im Energie-, Wärme- und Verkehrsbereich erkennbar sind, bleibt es fraglich, ob die genannten Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Ziele ausreichen. So bleibt der Koalitionsvertrag weitgehend vage, was die konkrete Umsetzung, die genaue Höhe der Finanzierung und den Zeitplan der genannten Maßnahmen anbelangt.
Von der schwarz-grünen Landesregierung erwartet der DGB, dass sie sich mit den beschäftigungspolitischen Auswirkungen ihrer Klima-, Energie- und Verkehrspolitik auseinandersetzt. Soziale Härten müssen abgefedert und neue Perspektiven durch Aus- und Weiterbildung erschlossen werden – etwa wenn Arbeitsplätze in bestimmten Branchen bedroht sind. Auch in „grünen“ Branchen sind Lohnunterbietung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen keine Seltenheit. Daher erwarten wir, dass sich die schwarz-grüne Landesregierung für Tariflöhne und gute Arbeitsbedingungen in den „grünen“ Branchen einsetzt.
In ihrem Koalitionsvertrag sprechen sich CDU und Bündnis 90/Die Grünen dafür aus, den Öffentlichen Personennahverkehr zu stärken. Unter anderem ist eine „Qualitätsoffensive für den Öffentlichen Personennahverkehr“, gemeinsam mit den Verkehrsverbünden, geplant, „um derzeitige Probleme zu beheben und Fachkräfte zu gewinnen“. Der DGB unterstützt die geplante Qualitätsoffensive ausdrücklich. Allerdings kann dieser Plan nur gelingen, wenn dafür ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Dazu müssen die bereitgestellten Finanzmittel sehr deutlich und nachhaltig erhöht werden. Darüber hinaus ist die Einbeziehung der zuständigen Gewerkschaft und betrieblichen Interessenvertretungen zwingend notwendig. Der DGB fordert von der Landesregierung, dass sie sich im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe für Tariflöhne und gute Arbeitsbedingungen im ÖPNV einsetzt. Hierfür muss in das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz verpflichtend aufgenommen werden, dass die Beschäftigten bei einem Betreiberwechsel zu den bisherigen Arbeitsbedingungen übernommen werden. Die Einhaltung der Vorgabe muss wirksam kontrolliert und bei Verstößen mit Sanktionen geahndet werden. Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre im Personenbeförderungsgesetz muss unverzüglich abgeschafft werden.
Der DGB kritisiert, dass laut Koalitionsvertrag im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie keine stärkere Berücksichtigung sozialer Aspekte geplant ist. Damit wird das bestehende Ungleichgewicht zugunsten ökonomischer und ökologischer Interessen fortgesetzt. Vor der Wahl hatte der DGB gefordert, dass „menschenwürdige Arbeit“ als Ziel in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen und mit geeigneten Indikatoren wie beispielsweise Tarifbindung, Mitbestimmung und die Abwesenheit von prekärer Arbeit (Befristungen, Minijobs, Werkverträge, Leiharbeit, usw.) hinterlegt wird. Diese Forderung wurde von Schwarz-Grün nicht aufgegriffen.
Grundsätzlich bewerten wir es positiv, dass CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen des Aktionsprogramms „Nachhaltiges Wirtschaften“ einen „Nachhaltigkeits-Check“ für kleine und mittlere Unternehmen anbieten und die Möglichkeit eröffnen möchten, ein „Nachhaltigkeits-Siegel“ zu erhalten. Hierbei sollten jedoch neben ökonomischen und ökologischen auch soziale Aspekte eine Rolle spielen, weil der Check und das Siegel sonst unvollständig bleiben würden. So lässt sich von Nachhaltigkeit nur dann sprechen, wenn alle drei Dimensionen – Soziales, Ökonomie und Ökologie - gleichermaßen berücksichtigt werden.
Der DGB kritisiert, dass CDU und Bündnis 90/Die Grünen kein eigenes Ministerium für Wohnen und Bauen einrichten. Die Ansiedlung des Themas beim Wirtschaftsministerium halten wir aufgrund der Gefahr, dass die Interessen der Immobilienwirtschaft einen noch größeren Stellenwert als bislang erhalten, für falsch. Die wohnungspolitischen Vereinbarungen der Koalitionäre zum sozialen Wohnungsbau greifen zu kurz. Laut Koalitionsvertrag sollen von 2019 bis 2024 insgesamt 2,2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden, um so etwa 22.000 Wohnungen für rund 66.000 Menschen zu schaffen.
Laut einer Studie, die das Pestel-Institut im Oktober 2018 herausgegeben hat, ist Hessen bei der Wohnraumversorgung Schlusslicht unter den Flächenländern in Deutschland. Der Wohnraumbedarf liegt bis 2035 bei mehr als 400.000 Wohnungen. Basierend auf der Studie fordert der DGB, dass in den kommenden Jahren 35.000 Wohnungen pro Jahr zusätzlich geschaffen werden müssen, davon mindestens ein Drittel Sozialwohnungen. Hinter dieser Forderung bleibt der Koalitionsvertrag weit zurück.
Darüber hinaus reicht die laut Koalitionsvertrag geplante Novellierung des Hessischen Wohnraumförderungsgesetzes nicht aus. Die Bindungsfristen für Sozialwohnungen sollen „flexibel an die Erfordernisse“ angepasst werden. Der DGB hat die Abschaffung der Bindungsfristen nach dem Prinzip „einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnungen“ gefordert. Unklar bleibt, ob und inwiefern die Einkommensgrenzen überarbeitet werden. Die Mietpreisbremse soll beibehalten und verlängert werden. Die Kündigungssperrfrist bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen wird nur auf acht Jahre verlängert. Die Forderung des DGB geht hier weiter.
Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass CDU und Bündnis 90/Die Grünen Liegenschaften des Landes in der Regel über das Instrument der Konzeptvergabe veräußern und gleichzeitig das Instrument des Erbbaurechts stärken wollen. Allerdings bleibt unklar, in welchem Umfang landeseigene Flächen zur Bebauung zur Verfügung gestellt und wie viele Sozialwohnungen auf diesen Grundstücken erstellt werden sollen. Darüber hinaus kritisiert der DGB, dass der Koalitionsvertrag keine Verordnung gegen Wohnraumzweckentfremdung und spekulativen Leerstand vorsieht.
Im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist der Koalitionsvertrag differenziert zu bewerten. In den sozialpolitischen Themenfeldern gibt es Chancen auf echte Fortschritte. Hier sind vor allem die angekündigten Verbesserungen bei der Finanzierung der Krankenhäuser sowie die beabsichtigten Inklusionsanstrengungen der Landesregierung zu nennen. Leider verbleibt der Koalitionsvertrag regelmäßig auf der Ankündigungsebene. Konkrete Handlungsansätze sind oft nicht vorhanden. Dies gilt insbesondere für die wohlklingenden Ausführungen im Gesundheits- und Pflegebereich.
Es ist erschreckend, wie ignorant sich die Koalition gegenüber den sozialen Problemlagen im Land verhält. Themen, wie die soziale Spaltung, Kinderarmut, Ausgrenzung und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen am unteren Rand der Gesellschaft, tauchen gar nicht auf. Für die Armutsgefährdungslagen der Menschen in Hessen ist und bleibt diese Koalition blind. Sie tut nichts für die Wiederherstellung des sozialen Ausgleichs, um die Schere zwischen arm und reich wieder zu schließen – im Gegenteil.
Ebenso werden zentrale arbeitsmarktpolitische Herausforderungen verschlafen oder deren Bedeutung heruntergespielt. Die Sicherung und Weiterentwicklung von Fachkräften angesichts der Herausforderungen durch Digitalisierung und Demographie spielen im Koalitionsvertrag höchstens eine untergeordnete Rolle.
Die „angemessene Ausbildungsvergütung“ für Erzieherinnen und Erzieher ist zu begrüßen. Es ist dringend geboten, das Schulgeld für die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung in Hessen flächendeckend abzuschaffen und Personen, die eine solche Ausbildung aufnehmen, mit einem Hessischen ErzieherInnen-Stipendienprogramm zu unterstützen. Letzteres kann auch zusätzlich zum Aufstiegs-BAföG gewährt werden. Diese neuen Regelungen im HKJGB sollten zudem analog für die praxisintegrierten Modelle der ErzieherInnenausbildung gelten. Die Gewerkschaften sprechen sich für eine Förderung von praxisintegrierten Formen der ErzieherInnenausbildung auf DQR Niveau 6 (Bachelor) und entsprechende qualitativ gleichwertige Quereinstiegsmodelle aus.
Eine Aufwertung des Berufes kann mittelbar nur über Entlastung geschehen. Die Vorschläge der Gewerkschaften zu verbindlichen Personalschlüsseln werden weiter unten genau dargestellt.[1] Diese Maßnahmen würden mehr Zeit am Kind und mehr Fachkraftkapazitäten für pädagogische Tätigkeiten, wie Dokumentation, Elterngespräche und konzeptionelle Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit geben.
Außerdem sollte im HKJGB (HessKiföG) § 25c Abs. 3 die Anrechnung von Praktikantinnen und Praktikanten von bis zu 50 Prozent auf den Mindestpersonalbedarf auf maximal 25 Prozent begrenzt werden. Der DGB plädiert bei der Berechnung des Mindestpersonalbedarfes nach § 25c für die Gewährung eines zeitlichen Aufschlags, wenn in Einrichtungen Praktikantinnen und Praktikanten angeleitet werden. Dieser sollte je AnleiterIn und PraktikantIn mindestens zwei Stunden pro Woche betragen.
Ebenso wäre eine Ausbildungsprämie für ausbildende Betriebe vom Land analog zur Qualitätspauschale denkbar. Die vom Land vorgeschlagene Forderung von Freiwilligendiensten ist alter Wein in neuen Schläuchen und kein schlüssiges Fachkräftegewinnungskonzept. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und andere Freiwilligendienste sind keine Maßnahmen zur Berufsorientierung, sondern sollen der individuellen Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen dienen. Ohne FSJ könnten sich jedoch derzeit manche Kitas gar nicht mehr über Wasser halten.
Die Koalition möchte einen „Gesundheitspakt 3.0“ auf den Weg bringen, und die Zusammenarbeit daran mit „allen relevanten Akteuren des Gesundheitswesens fortschreiben.“ Offenbar zählt die Koalition ver.di und den DGB nicht dazu, da sie bisher nicht am hessischen Gesundheitspakt beteiligt waren. Um die von der Koalition skizzierten Herausforderungen, wie der Fachkräftesicherung, aktiv anzugehen, ist die Perspektive der Beschäftigten unbedingt zu berücksichtigen. Daher erwarten wir, dass die Gewerkschaften in Zukunft in den Gesundheitspakt miteinbezogen werden.
Die von der Koalition geplanten Maßnahmen stellen eine brauchbare Diskussionsgrundlage für die kommenden Jahre dar – insbesondere um die Versorgungsqualität im ländlichen Raum zu erhöhen. Dies soll über Klinikverbünde und medizinische Versorgungszentren geschehen. Erwartungsgemäß verzichtet die Koalition aber darauf, in ihrer Planung konkret zu werden. Sektorenübergreifende Versorgung im Rahmen von Klinikverbünden sind sinnvoll, jedoch muss sichergestellt werden, dass dies – wie in der Vergangenheit bereits häufiger geschehen – nicht dazu genutzt wird, Arbeitsplätze abzubauen und Tarifflucht zu begehen. Wir brauchen mehr und nicht weniger Personal auf den Stationen und wir brauchen dort auch bessere, durch Tarifverträge abgesicherte Arbeitsbedingungen. Es ist bedauerlich, dass die gewerkschaftliche Forderung nach einer gesetzlichen Mindestpersonalbemessung ebenso unberücksichtigt bleibt, wie ein fester Betreuungsschlüssel und eine Fachkraftquote.
Zu begrüßen sind die Anreize zur Niederlassung von Landärzten durch die Einführung von Stipendien.
Die Landesregierung möchte „die Investitionsmittel für Krankenhäuser im Laufe der Legislaturperiode deutlich erhöhen“. Damit greift sie eine Kernforderung der Gewerkschaften auf, ohne allerdings konkrete Zahlen zu nennen. Laut Berechnung der hessischen Krankenhausgesellschaft fehlen jährlich 150 Millionen Euro an Landesmitteln. Über 30 Prozent der hessischen Krankenhäuser sind defizitär. Dieses Problem muss die Landesregierung schnellstmöglich angehen und konkrete Handlungsschritte sowie Zeitabläufe benennen. Das Werben für Verbundlösungen ist nur dann sinnvoll, wenn es nicht zu einer Aushöhlung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten sowie zur Tarifflucht genutzt wird.
Betriebe sollen motiviert werden sich beim betrieblichen Gesundheitsmanagement stärker zu engagieren. Wie das geschehen soll, lässt die Koalition offen. Statt auf arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse, die seit Jahren sektorenübergreifend einen Anstieg an Arbeitsverdichtung, Stress und psychischen Erkrankungen bei den Beschäftigten feststellen, angemessen zu reagieren und Initiativen für gesundheitsfördernde und Gute Arbeit zu ergreifen, will die Koalition Präventionsprogramme etablieren, die den „Folgen der Beschleunigung des Erwerbslebens“ gerecht werden. Dies lehnen die Gewerkschaften ab. Die Hoffnung auf Selbstverpflichtungen bei den Unternehmen greift zu kurz. Die Landesregierung muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Schutzrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirksam durchgesetzt werden können. Notwendig ist eine stärkere Kontrollen und eine verbindliche Durchsetzung des rechtlich normierten Arbeitsschutzes. Die zuständigen Landeseinrichtungen bei den Regierungspräsidien benötigen dafür die entsprechende personelle Ausstattung. Jegliche Angriffe auf die Schutzfunktion des Arbeitszeitgesetzes sind abzulehnen. Außerdem muss die gegenwärtige Praxis der Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit verändert werden.
Der Koalitionsvertrag benennt viele entscheidende Herausforderungen in der Pflege, trifft aber auf der Handlungsebene keine konkreten Maßnahmen. Positiv ist die Erkenntnis, dass zu einem wertschätzenden Umgang mit dem Pflegepersonal auch angemessen hohe Löhne gehören. Allerdings fehlen auch hier konkrete Umsetzungsschritte. Das Gleiche gilt für die Verbesserung der Ausbildung, flexible Ausbildungsmodelle, die Steigerung der Aus- und Weiterbildungsaktivitäten sowie die Rückkehr von Pflegefachkräften in ihre gelernten Berufe.
Die angekündigten Initiativen zur Entbürokratisierung zum Beispiel bei den Dokumentationspflichten dürften bei den Beschäftigten ebenso wohlwollend angenommen werden, wie bei Patienten und Angehörigen, weil dadurch mehr Freiräume für die Pflegetätigkeit geschaffen werden. Allerdings darf dies nicht zu Lasten der Qualität der Pflege gehen.
Die Landesregierung möchte die Landessozialberichtserstattung fortführen. Dies ist zu begrüßen, denn sie schafft aus Sicht der Gewerkschaften eine nützliche Datengrundlage über die verschiedenen Dimensionen von Armut in Hessen. Der DGB ist zudem am Beirat zur Landessozialberichterstattung beteiligt und hat sowohl in diesem, als auch am Bericht selbst aktiv mitgewirkt. Allerdings hat es die Landesregierung in der Vergangenheit komplett versäumt, sich mit den Ergebnissen des Berichts auseinanderzusetzen und sie in ihr politisches Handeln einfließen zu lassen. Dies setzt sich im Koalitionsvertrag fort: Der Begriff „Kinderarmut“, eines der größten sozialen Probleme Hessens, taucht kein einziges Mal auf. Die speziellen Problemlagen von Familien, insbesondere von Alleinerziehenden, bleiben von der Landesregierung komplett unberücksichtigt.
Die Koalition möchte mit einem „Hessenpass“ einkommensschwachen Menschen die Teilnahme an Kultur- und Freizeitangeboten ermöglichen. Viele Kommunen haben bereits einen solchen Sozialpass eingeführt. Das Land möchte hier finanziell unterstützen. Das ist begrüßenswert, greift aber viel zu kurz.
Die Koalition beteuert, sie stehe für ein inklusives Hessen. Sie geht dabei auf eine Reihe von Forderungen der Betroffenenverbände und des hessischen Inklusionsbeirats, dem auch die Gewerkschaften angehören, ein. Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ist weiterhin „handlungsleitend“ und die Funktion der Beauftragten der hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen soll künftig hauptamtlich wahrgenommen und statt im Innenministerium im Ministerium für Soziales und Integration angesiedelt werden.
Nach dem Chaos um das Hessische Behindertengleichstellungsgesetz (HessBGG) – die Koalition versuchte zunächst, ihren Gesetzesentwurf ohne die übliche Verbändebeteiligung durchzusetzen und musste ihn am Ende ganz zurückziehen – sieht der jetzige Koalitionsvertrag vor, das HessBGG zu evaluieren.
Zu begrüßen ist die geplante Fortsetzung des Hessischen Perspektivprogramms (HePAs), das finanzielle Anreize für Arbeitgeber setzt, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Die Koalition möchte sich zudem bemühen, dass Unternehmen, die ihre Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung übererfüllen, stärker von der Ausgleichsabgabe profitieren. DGB und Gewerkschaften setzen sich dafür ein, die Ausgleichsabgabe vor allem für jene Betriebe zu erhöhen, die ihrer gesetzlichen Beschäftigungspflicht überhaupt nicht nachkommen. Im Gegensatz zum öffentlichen Dienst, stellt sich die Situation in weiten Teilen der Privatwirtschaft alles andere als positiv dar. Diese kommt ihrer Verpflichtung im Schnitt nur unzureichend nach. Daher muss an dieser Stelle stärker als bisher sanktioniert werden. Obwohl im Durchschnitt besser qualifiziert, ist die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen immer noch doppelt so hoch, wie in der restlichen Bevölkerung.
Die 3+2-Regelung soll in Hessen für „Alten- und Krankenpflegeberufe“ erweitert werden, um den immens steigenden Fachkräftebedarf in der Pflege zu bewältigen. Dieses Vorhaben ist zu begrüßen.
Die Koalition möchte „weiterhin Projekte wie Faire Mobilität als Unterstützung besonders von im Baubereich beschäftigten EU-Ausländern fördern.“ Dies ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings begründen nicht zuletzt die hohen Fallzahlen eine dringende Ausweitung der Beratungsstellen.
„Es ist wichtig, der Gesellschaft einen Tag der Woche zum Innehalten zu ermöglichen“. So steht es im Koalitionsvertrag. Gleichzeitig formuliert die Koalition die Absicht „bei den Ausnahmeregelungen von bis zu vier verkaufsoffenen Sonntagen an den bisher zulässigen Wochenenden […] praktikable Regelungen schaffen [zu wollen], um Klarheit zu schaffen und die Rechtssicherheit kommunaler Entscheidungen zu erhöhen.“ Die hier beklagte Rechtsunsicherheit ist nicht durch das Gesetz verursacht, sondern dadurch, dass Gemeinden sie häufig durch rechtswidrige Sonntagsfreigaben herbeigeführt haben. Der DGB sieht hingegen bei den Regelungen zur Sonntagsöffnung im Ladenöffnungsgesetz (HLöG) keinen Änderungsbedarf. Nicht zuletzt die juristischen Auseinandersetzungen über die Interpretation und die Anwendungsmöglichkeiten des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes bei sonntäglichen Ladenöffnungen haben dazu geführt, dass ein hohes Maß an Rechtssicherheit hinsichtlich von Sonntagsöffnungen besteht, das kaum noch weiter gefestigt und ausgebaut werden muss. Insofern hat sich das HLöG hinsichtlich der Sonntagsöffnungen über weite Strecken bewährt, weil es den Rahmen für Ausnahmegenehmigungen ausreichend eng setzte, der Rechtsprechung bis zum Bundesverwaltungsgericht aber die Möglichkeit eröffnete, die Voraussetzungen für verkaufsoffene Sonntage klar umreißend weiter zu konkretisieren.
Ebenso wie der Abschnitt zu Armut, fällt auch der Abschnitt zur Arbeitsmarktpolitik äußerst knapp aus. Hieraus lässt sich deutlich die Bedeutung ablesen, die die Koalition dem Thema beimisst. Sie möchte einen „sozialen Arbeitsmarkt, bei dem Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert wird“. Man möchte in benachteiligte Gruppen investieren, „damit sie ihr Potential erkennen und in ihrem, aber auch im Interesse unserer ganzen Gesellschaft das Beste aus ihren individuellen Möglichkeiten herausholen können.“ Die Individualisierung von Arbeitslosigkeit sowie das Dogma, dass sozial ist was Arbeit schafft, erinnern stark an die Logik der Agenda 2010 und wirken wie aus der Zeit gefallen. Konkrete Ideen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik gibt es nicht. Zum Beispiel wäre es hier unerlässlich, abschlussbezogene Weiterbildungen für Hartz IV-Bezieherinnen- und Bezieher auszubauen oder sich in irgendeiner Form auf das neue Programm der Bundesregierung zur Teilhabe am Arbeitsmarkt zu beziehen – und etwa zu beschreiben, wie man als Landesregierung diesen Prozess begleiten will. Ebenso fehlen Aussagen zur weiteren Umsetzung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors.
Die Koalition möchte „eine Ausbildungskampagne starten“ und die Attraktivität der Berufsausbildung steigern. Sie möchte „alles daransetzen, möglichst viele Menschen in Hessen zu Fachkräften zu qualifizieren“ und „zeitnah 100.000 neue Fachkräfte für Hessen gewinnen.“
Die Sicherung und Entwicklung von Fachkräften ist tatsächlich eine der zentralen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre. Die Koalition behandelt dieses Thema allerdings als absolutes Randthema mit unscharfen sowie ambitionslosen Ausführungen. Während es in Thüringen aufwendige Analysen und Untersuchungen gibt, verweist man in Hessen auf eine „Hessische Fachkräftekommission“, an der zum einen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht beteiligt sind und die zum anderen die Arbeit seit mehreren Jahren eingestellt hat.
Erforderlich ist eine Fachkräftekommission, die effizient und unter der Einbeziehung der Perspektive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Lösungen erarbeitet.
Familien sollen nach dem Willen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen mehr Zeitsouveränität durch Telearbeit und Home Office erhalten. Dies ist positiv zu bewerten, darf aber nicht bestehende Schutzgesetze für Beschäftigte außer Kraft setzen. Auch hier gibt es eine Vielzahl an guten Formulierungen im Koalitionsvertrag, die aber an keiner Stelle konkret werden.
Die schwarz-grüne Idee der „Deutschland-Rente“ taucht in diesem Koalitionsvertrag wieder auf. Dabei redet die Koalition erneut der privaten Versicherungswirtschaft das Wort, in dem sie behauptet, der privaten Altersversorgung komme „eine stetig wachsende Bedeutung zu.“ Auch hier befindet sich die Koalition nicht auf der Höhe der Zeit und ignoriert komplett die politischen Entwicklungen im Bereich der Alterssicherungspolitik der vergangenen zwei Jahre. Mittlerweile wurde das gesetzliche Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisiert, gleichzeitig sind private Vorsorgemodelle, die staatlich bezuschusst werden, als Instrument kollektiver Absicherung gescheitert. Insofern lehnt der DGB die Deutschland-Rente ab.
[1] Siehe S. 19
Durch die erhebliche Arbeitsbelastung und -verdichtung bei gleichzeitigem Verlassen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und ausbleibenden Besoldungsanpassungen, hat das Image von Land und Kommunen seit 2003 sehr gelitten. Das macht sich auch in der Nachwuchsgewinnung bemerkbar.
Dass die Landesregierung hier dringend handeln muss, scheint erkannt worden zu sein. Es ist höchste Zeit, dass das Land sich als Dienstherr seiner Verantwortung bei der Setzung von Rahmenbedingungen bewusst wird, die der Erhaltung und Schaffung von qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen dienen. Der öffentliche Dienst kann und muss partnerschaftlich gestaltet und wieder attraktiv werden.
Zur Reduzierung der Arbeitszeit finden sich im Koalitionsvertrag keine Aussagen – und dies, obwohl die Beamtinnen und Beamten in Hessen 41 Stunden arbeiten. Die Gewerkschaften halten hier an ihrer Forderung nach Angleichung an die Arbeitszeit im Tarifbereich (40 Stunden) fest.
Ein zukunftsfähiger öffentlicher Dienst braucht ein zukunftsfähiges Personalvertretungsrecht. Hierfür sind mehr Mitbestimmungsrechte nötig. Das sogenannte Beschleunigungsgesetz aus dem Jahr 1999, das zu massiven Verschlechterungen geführt hat, muss zurückgenommen werden. Insofern begrüßen die DGB-Gewerkschaften die Ankündigung der Koalition, „das Hessische Personalvertretungsgesetz fortentwickeln und im Dialog mit den Gewerkschaften die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zeitgemäß ausgestalten [zu wollen].“
Eine zeitgemäße Ausgestaltung des öffentlichen Dienstes kann nur bedeuten, die Personalvertretungen zu stärken und mehr echte Mitbestimmung – wie sie in der Privatwirtschaft selbstverständlich ist – zuzulassen. Der DGB wird Vorschläge für eine zukunftsorientierte Novellierung vorlegen, die insbesondere die Entwicklungen der letzten Jahre aufgreifen.
Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben ein Recht auf Arbeit, bei der sie Wertschätzung und Respekt erfahren. Echte Wertschätzung zeigt sich am Umgang mit den Beschäftigten in den Dienststellen und an den konkreten Arbeitsbedingungen. Arbeitszeit und -umfang sowie die effektive Mitbestimmung der Personalvertretungen müssen gemeinsam mit den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften in den Blick genommen und auf Augenhöhe diskutiert werden. Insbesondere gilt das für Umstrukturierungsmaßnahmen, neue Arbeitszeitmodelle, Telearbeit, Veränderungen im Zuge der Verwaltungsdigitalisierung und -modernisierung sowie die geplante Verlagerung von 3.000 Arbeitsplätzen in ländliche Räume oder die sogenannten Hessenbüros. Kritisch müssen die Aussagen zur „flexiblen Arbeitszeitgestaltung“ und den Möglichkeiten zur Telearbeit bewertet werden. Keinesfalls darf es hierbei zu Aushebelungen bestehender Schutzregelungen kommen, zum Beispiel beim Arbeits- und Gesundheitsschutz oder beim Arbeitszeitgesetz.
Der DGB begrüßt, dass die Landesregierung den Angriffen auf die Beschäftigten im Bereich der Polizei, der Feuerwehren und der Rettungsdienste deutlich entgegentritt und auch ankündigt, Polizei und Justiz personell deutlich zu stärken.
Konkret zugesagt werden 750 zusätzliche Polizeivollzugsstellen, die entsprechenden Ausbildungskapazitäten, 150 zusätzliche Verwaltungsfachkräfte im Polizeibereich und 100 neue Stellen für Wachpolizistinnen und Wachpolizisten. Das ist eine anerkennenswerte Maßnahme – wenn die Stellen auch wirklich besetzt werden können und für Entlastung sorgen. Ebenso ist die Ankündigung einer Ausstattungsoffensive zu begrüßen. Für eine genauere Bewertung dieser Frage sei auf die entsprechenden Ausführungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) verwiesen.
Mit der Ankündigung, zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten zu schaffen, „zahlreiche“ Stellenhebungen vorzunehmen, die polizeilichen Zulagen „anzupassen“, die Ruhestandsgrenzen zu verbessern und massiv in eine moderne Ausstattung der Polizistinnen und Polizisten zu investieren, erfüllt die Landesregierung dringende Forderungen unserer Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei. Dass gleichzeitig mit den Ankündigung von mehr Polizeipräsenz in den größeren Innenstädten, in den Kommunen „vor Ort“, im öffentlichen Nahverkehr sowie im Bereich der digitalen Sicherheit erhebliche Aufgaben geschaffen werden, ist aber kritisch zu sehen und kann dem Ziel besserer Arbeitsbedingungen zuwider laufen. Tatsächlich besteht eine große Diskrepanz zwischen den Arbeitsanforderungen und dem verfügbaren Personal. Dass die Landesregierung sich dessen bewusst ist, zeigt auch die Ankündigung von mehr „Anstrengung [bei der] Vergütung von Mehrarbeitsstunden“ und der Hinweis, dass die Mehrarbeit künftig zumindest begrenzt werden solle. Gerade im besonders belastenden Polizeiberuf sollte Mehrarbeit die absolute Ausnahme sein und durch Freizeit ausgeglichen werden. Die aufgelaufenen drei Millionen Überstunden im Polizeidienst sind abzubauen.
Sicherheit bedeutet auch Sicherheit in der Lebensplanung. Dem entgegen steht die Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst. So ist positiv ist zu bewerten, dass prekäre Beschäftigung im öffentlichen Dienst zurückgedrängt werden soll. „So weit wie möglich“ solle auf sachgrundlose Befristungen verzichtet werden. Wenn sich dies auf die Planungen im Schulbereich beschränkt – nämlich, dass befristete Arbeitsverträge „weiter reduziert“ und künftig „Anstellungslücken in den Ferien“ vermieden werden – handelt es sich eher um Selbstverständlichkeiten, als um eine neue Beschäftigungsqualität. Auch die „so weit wie möglich“ geplante Reduktion von „Kurzzeit- und Kettenbefristungen“ an den Hochschulen setzt noch keine Maßstäbe für gute Arbeit in der Wissenschaft. Das Vorhaben ist aber dennoch unterstützenswert und muss mit konkreten Maßnahmen umgesetzt werden. Die Stärkung der Grundfinanzierung der Hochschulen ist richtig. Der angekündigte „Kodex für Gute Arbeit“ an Hochschulen ist im Dialog von Landesregierung, Hochschulen, Personalvertretungen und Gewerkschaften zu entwickeln. Mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die studentischen Beschäftigten wird eine langfristige Forderung der DGB-Gewerkschaften aufgegriffen. Ihre Arbeitsverhältnisse „ähnlich zu Tarifverträgen“ ordnen zu wollen, bedeutet aber wohl, dass es gerade keine tarifvertraglichen Regelungen geben soll. Dies ist nicht akzeptabel. Nur Tarifverträge, die zwischen den Sozialpartnern auf Augenhöhe verhandelt werden, bieten ausreichend Schutz und Sicherheit.
Der DGB Hessen-Thüringen begrüßt das Vorhaben, die Tarifergebnisse auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen. „Anstreben“ reicht aber nicht, schon gar nicht mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre. Die Übertragung muss zeit- und inhaltsgleich erfolgen und kann nicht unter Haushaltsvorbehalt gestellt werden.
Hessen liegt bei der Besoldung deutlich unter dem Bund und unter dem Durchschnitt der anderen Länder, wenn die überlange Arbeitszeit mit in die Betrachtung einbezogen wird. Wenn die Besoldung der hessischen 41-Stunden-Woche auf eine 40-Stunden-Woche umgerechnet wird, liegt Hessen beispielweise in der Endstufe A 7 und A 9 auf dem letzten Platz in Bundesvergleich.
Der DGB begrüßt, dass Gespräche mit der Tarifgemeinschaft der Länder aufgenommen werden sollen, um die Rückkehr des Landes in die TdL – nach aktuell 14-jähriger Abwesenheit – auszuloten. Dem müssen schnell Taten folgen.
Nicht weniger, sondern mehr Beschäftigung im Landesdienst ist erforderlich, damit das Land Hessen seine Aufgaben bei der Bildung, der Betreuung und der Pflege sowie der öffentlichen Daseinsvorsorge im Allgemeinen erfüllen kann.
Die personelle Stärkung verschiedener Bereiche wie Polizei, Justiz, Schulen und Hochschulen wird verschiedentlich angesprochen, aber nur mit wenigen Zahlen unterlegt. Neben den Stellenmehrungen bei der Polizei wird eine „dem entsprechende“ bessere Personalausstattung der Justiz angekündigt. Für die Schulen werden „500 zentral finanzierte Verwaltungskräfte“ sowie mehr Fachkräfte für die Arbeit in multiprofessionellen Teams versprochen. Dabei wird aber gleichzeitig eine Vielzahl neuer Konzepte und Aufgaben benannt, die die Beschäftigten entwickeln und umsetzen sollen. Unklar bleibt, wie beim absehbaren altersbedingten Ausscheiden einer erheblichen Zahl Bediensteter neue Kolleginnen und Kollegen gewonnen werden sollen.
Ausdrücklich begrüßen wir die verstärkten Anstrengungen neue Steueranwärterinnen und -anwärter auszubilden und die Finanzämter zur Bekämpfung von Steuerkriminalität zu verstärken. Auch darüber hinaus geht es an verschiedenen Stellen des Koalitionsvertrages um die „Stärkung“ der unterschiedlichen Verwaltungen, was aber nicht konkretisiert wird. Leider stehen all diese Personalzusagen unter Haushaltsvorbehalt.
Fraglich ist, was es bedeutet, für eine „leistungsgerechte Bezahlung nach objektiven Kriterien sorgen und die Leistungsanreize ausbauen“ zu wollen. Wurde bisher nicht leistungsgerecht und nach objektiven Kriterien gezahlt? Klar ist: Es reicht nicht, einzelnen Fachkräften mit seltener Qualifikation bessere Entlohnung beziehungsweise Besoldung in Aussicht zu stellen. Erforderlich ist eine generelle Aufwertung der Arbeit im öffentlichen Dienst durch eine übergreifende bessere Eingruppierung der Tätigkeiten.
Der hessische Wald als eine Lebensgrundlage der Menschen ist Bürgerwald und wichtiger Baustein der Daseinsvorsorge. Der Wald ist Ökosystem, Erholungsort und Arbeitsplatz. Waldwirtschaft und Naturschutz gehören in die Hände von Fachleuten. Dies scheint sich im Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün wiederzufinden, wenn dort von der gleichrangigen Verfolgung von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen im Staatswald die Rede ist. Das unterstützt der DGB Hessen-Thüringen. Es bedeutet jedoch, dass die Aufgaben der Beschäftigten des Landes im Bereich Wald und Naturschutz stetig wachsen. Der Wald ist durch die Klimaveränderung in seinem Bestand bedroht. Zunehmende Waldvernichtung durch Trockenzeiten, Stürme und Borkenkäferkalamitäten erfordern einen Umbau des Waldes, um ihn an das veränderte Klima anzupassen. Hinzu kommen größere Anforderungen der Gesellschaft an den Wald als Erholungs-, Sport- und Abenteuer-Raum sowie zunehmende Konflikte der verschiedenen Nutzergruppen des Waldes. Um die gesellschaftlich geforderten Aufgaben erfüllen zu können, benötigt Hessen Forst einerseits mehr Personal – anstatt des geplanten Personalabbaus – und anderseits eine dauerhaft auskömmliche Finanzierung aus dem Landeshaushalt.
Die Gewerkschaften erwarten von der Landesregierung eine aktive Gleichstellungspolitik. Wir begrüßen die Ankündigung, Geschlechtergerechtigkeit als Leitprinzip in der Personalpolitik aller Ressorts sowie im politischen und verwaltenden Handeln zu verankern und auf mehr Diversität im öffentlichen Dienst aktiv hinzuarbeiten. Die Landesregierung hat mit dem Hessischen Gleichberechtigungsgesetz (HGlG) Instrumente an der Hand, die es auch zu nutzen gilt. Wenn im Koalitionsvertrag steht: „Frauen sollen genauso oft in Führungspositionen vertreten sein, wie Männer. Der öffentliche Dienst wird seiner Vorreiterrolle hier gerecht werden“, ist das keine Zustandsbeschreibung, sondern höchstens eine Zielbestimmung. „Jobsharing“ als Instrument allein wird dafür nicht ausreichen. Hier muss konkret und zusammen mit den Personalvertretungen nachgelegt werden. Die Nutzung der Zielvereinbarungen mit den Hochschulen ist ein sinnvoller Ansatz.
Die im Koalitionsvertrag angesprochene interkulturelle Öffnung von Institutionen und Verwaltung, um die zunehmende Vielfalt der Gesellschaft abzubilden, ist ein richtiger Schritt. Wir unterstützen als DGB ausdrücklich die Ziele, den Anteil des Beschäftigungsanteils von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst zu erhöhen und verstärkte Anstrengungen zur Fortbildung in interkultureller Kompetenz zu unternehmen. Auch aktives Diversitymanagement macht die Arbeit der Verwaltungen zukunftsfähig und attraktiv.
Die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst leisten gute Arbeit. Nur wenn Arbeitsbedingungen und Bezahlung dem entsprechen, wird es gelingen, genügend qualifizierte und motivierte neue Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen und erfahrenen Beschäftigten gute, gesunde Arbeit auch im fortgeschrittenen Alter zu ermöglichen.
Im Koalitionsvertrag befinden sich viele zu begrüßende Punkte für den öffentlichen Dienst, die nun auch entschlossen abgearbeitet werden müssen. Die aktuell geplanten Stellen stopfen die größten Löcher – das reicht aber aus gewerkschaftlicher Sicht nicht aus, um den öffentlichen Dienst nachhaltig sicher aufzustellen. Wir haben, um Schulen und andere Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge besser auszustatten, rund 16.000 neue Stellen im öffentlichen Dienst und die dafür entsprechend nötige Erhöhung der Ausbildungsquote gefordert. Daran halten wir fest.
Wir begrüßen, dass die Landesregierung sich als Ziel gesetzt hat, die Elternzeit paritätisch nutzen zu können. Der Dreiklang „Ausbau, Qualität und Beitragsfreiheit“ ist sicherlich ein guter Ansatz, um die Kinderbetreuung zu verbessern. Jedoch bleiben die Ankündigungen hinter unseren Forderungen zurück.
Wir benötigen in Kitas dringend einen verbindlichen Personalschlüssel. Nur dieser kann zu einer spürbaren Verbesserung von Qualität und Arbeitsbedingungen führen. Um die Personalsituation in den Einrichtungen zu verbessern, fordern wir mittelbare pädagogische Tätigkeiten mit einem prozentualen Zuschuss – analog zu den Ausfallzeiten – zu berücksichtigen. Wir schlagen eine schrittweise Einführung vor: fünf Prozent in 2019, zehn Prozent in 2020 und 20 Prozent ab 2021 – mittelfristig sollten 25 Prozent angestrebt werden. Zudem sollte ab 2019 analog der Zuschlag für Ausfallzeiten von 15 auf 20 Prozent erhöht werden, da der statistisch erhobene Wert bei der letzten Gesetzesevaluation bereits 24 Prozent betragen hat. Die versprochene „Verbesserung der Personalausstattung der Kitas unter Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen der Einrichtungen“ ist eine unklare Formulierung, die sich vor einer echten Verbindlichkeit drückt. Hessen beteiligt sich im westdeutschen Vergleich unterdurchschnittlich mit Landesmitteln an den immens steigenden Kosten der Kommunen für die Kinderbetreuung. Hessen hat im Vergleich ein statisches und kein dynamisches Finanzierungsmodell, aber nur letzteres könnte Tariferhöhungen mitfinanzieren. Daher ist eine deutlich höhere und dynamisch an Tarifabschlüssen orientierte Landesmittelquote an den Betriebs- und Personalkosten der Kitas anzustreben.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2017, fehlen den hessischen Kitas für die Umsetzung eines kindgerechten Personalschlüssels fast 7.500 pädagogische Vollzeitfachkräfte sowie fast 1.600 Leitungskräfte. Hier muss die Landesregierung dringend handeln und auch spürbar die Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher verbessern, um den Beruf attraktiver zu machen.
Um Chancengleichheit zu verwirklichen, muss letztlich – jedoch erst nach Umsetzung der Qualitätsverbesserungen und der Anhebung des Personalschlüssels – ein gebührenfreies Angebot der frühkindlichen Erziehung das Ziel sein. Die schrittweise Einführung der Gebührenfreiheit durch die schwarz-grüne Landesregierung war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch kommt die sechsstündige Gebührenfreiheit nicht allen Eltern gleichermaßen zugute. Deshalb beurteilen wir die „[schrittweise] Ausweitung der Beitragsfreiheit im Ü3-Bereich und auf den U3-Bereich im Rahmen der Möglichkeiten des Landeshaushalts“ als kritisch. Viele Gemeinden haben die Gebühren für Ganztagesplätze angehoben, denn die Finanzierung der Gebührenfreiheit fällt für viele Kommunen zu gering aus. Leider werden damit noch immer die Kinder besser gefördert, deren Eltern sich das auch leisten können. Wir plädieren für eine einheitliche Sozialstaffel in Hessen als nächsten Schritt. Dabei dürfen jedoch keine Gelder aus dem „GuteKitaGesetz“ (KiQuTG) verwendet werden. Es wird ein tragfähiges Konzept und kein Stückwerk benötigt. Wenn die Abschaffung weiterer Gebühren geplant wird, dann nur zusätzlich zu Qualitätsverbesserungen und sukzessive zunehmend für ganze Jahrgänge ohne zeitliche Beschränkung.
Wir begrüßen die angekündigten Maßnahmen zur Stärkung der Antidiskriminierungspolitik und Akzeptanz und Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten ausdrücklich.
Der DGB begrüßt die angekündigten Maßnahmen der schwarz-grünen Landesregierung, wie die Förderung von Frauen in Führungspositionen. Hier fehlen konkrete Maßnahmen und Zielvorgaben.
In Hessen befinden sich immerhin die Hälfte aller Frauen in Teilzeitbeschäftigung oder Minijobverhältnissen. Die Frauen in Teilzeitbeschäftigung wurden in dem von der Landesregierung vielgelobten und „rationalisierten Lohnatlas“ schlichtweg nicht erfasst. Da Teilzeitbeschäftigte sowie Minijobberinnen und Minijobber im Durchschnitt weniger verdienen als in Vollzeit tätige Personen, wird die Lohnlücke in Hessen stark unterschätzt. Von Rationalität kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Frauen stecken noch immer – deutlich häufiger als Männer – durch Betreuungszeiten in unfreiwilliger Teilzeit fest. Im Hessischen Lohnatlas wird übrigens nicht genauer erläutert, warum nur Vollzeitbeschäftigte in die Analyse einbezogen werden – es ist von einer „möglichst hohen Vergleichbarkeit“ die Rede. Diese Vergleichbarkeit ist aber unter Bezugnahme auf alle Beschäftigungsverhältnisse auf Basis eines Stundenlohnvergleichs möglich und auch üblich. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, bei der nächsten Untersuchung alle Beschäftigten miteinzubeziehen. Nur so können echte Maßnahmen ergriffen werden, um Frauen besser in die Vollzeittätigkeit zu integrieren und die Lohnlücke zu schließen.
Es ist zu begrüßen, dass die Landesregierung Frauenhäuser finanziell wieder besser ausstatten will. Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass in hessischen Frauenhäusern mindestens 300 Plätze für Frauen fehlen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Bereits 2018 haben wir darauf hingewiesen, dass die Landesregierung dringend in Frauenhäuser, Prävention und Beratung investieren muss.
Die angekündigte 150-Meter-Schutzzone um die sogenannten „Schwangerschaftskonfliktberatungen“ ist zu begrüßen und muss umgehend umgesetzt werden. Auf Bundesratsebene sollte sich die Regierung jedoch für die vollständige Abschaffung des §219a einsetzen, um der Kriminalisierung von Abtreibungen entschieden entgegen zu treten.
Die angekündigten Maßnahmen zum Ganztag an Schulen sieht der DGB skeptisch. Es wird eine Weiterentwicklung des Pakts für den Nachmittag angekündigt, die auch gebundene und teilgebundene Modelle ermöglichen soll. Der Pakt für den Nachmittag soll zu einem „Pakt für den Ganztag“ weiterentwickelt werden. Damit werden Schulen die Möglichkeit erhalten, das Ganztagsangebot bis 14.30 Uhr als gebundenes oder teilgebundenes Modell zu gestalten. So werden zwar mehr Spielräume für eine sinnvolle Rhythmisierung geschaffen – es bleibt aber bei der unzureichenden Personalausstattung. Pro Jahr sollen die benötigten Ressourcen für einen Wechsel von Schulen in das Ganztagsschulprofil 3 von bis zu 50 Grundschulen oder weiterführenden Schulen bereitgestellt werden. Aber auch hinsichtlich des Profils 3, das als einziges einen echten, gebundenen Ganztag vorsieht, soll es augenscheinlich bei der unzureichenden Personalausstattung bleiben. Hier fordern wir dringend die notwendige Einführung eines Fachkräftegebotes und eines Betreuungsschlüssels für Nachmittagsangebote beim „Pakt für den Ganztag“ als Nachfolgemodell des „Paktes für den Nachmittag“. Es kann nicht sein, dass für Schulklassen und Kitas Fachkräfte und Personalschlüssel (wenn teilweise auch unzureichend) gegeben sind, dieser Standard in der Nachmittagsbetreuung jedoch nicht gelten sollen.
Zudem findet sich im Koalitionsvertrag kein Wort zur Bereitstellung angemessener Räumlichkeiten für den Ganztagsbetrieb seitens des Schulträgers und einer entsprechenden finanziellen Beteiligung des Landes. Es ist zu befürchten, dass die bisherige, unzureichende Finanzierung fortgeführt werden wird. Der bisherige Zuweisungsschlüssel soll nach Auskunft des Kultusministeriums für ein Angebot ausreichen, dass die Hälfte der Schülerinnen und Schüler einer Grundschule erfasst. Die Rückmeldung aus der Praxis ist aber, dass zum einen meist ein deutlich größerer Anteil den Ganztag nutzt und, dass zum anderen die Mittel selbst für 50 Prozent nicht ausreichen. Zudem erheben zahlreiche Kommunen Elternbeiträge, die bis zu 200 Euro betragen.
Im Koalitionsvertrag fehlt ein Bekenntnis zu den Horten und wie diese an Schulen angegliedert statt abgeschafft werden können. Ein Bestandsschutz reicht nicht aus. Wir fordern eine Öffnungsklausel, sodass Kommunen weiter Horte aufbauen können und dafür Landesmittel bekommen – auch um den Anspruch auf einen Ganztagesplatz ab 2025 realisieren zu können. Dafür ist in den nächsten fünf Jahren eine deutliche Aufstockung der Landesmittel in der Schulkinderbetreuung erforderlich.
Es ist positiv zu bewerten, dass die Landesregierung erkannt hat, dass die Maßnahmen im Anschluss an InteA, insbesondere die Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung (BzB), weiter verstärkt werden müssen. Es wird jedoch nicht weiter ausgeführt, wie die Förderung und Unterstützung erfolgen soll. Wir fordern dringend zusätzliche Stellen für die Integration Geflüchteter. Zudem bleibt unsere Forderung bestehen, dass erfolgte Stundenkürzungen im Bereich der Intensivklassen und InteA zurückgenommen werden müssen.
Zwar kündigt die Landesregierung an, Studienplatzkapazitäten an den Hochschulen anzupassen, „um eine ausreichende Lehrerversorgung sicherzustellen“. Allerdings ist das Referendariat immer noch das Nadelöhr der hessischen Lehrerinnen- und Lehrerausbildung. Auch hier müssen die Kapazitäten deutlich erhöht werden.
Die unter Roland Koch erhöhte Pflichtstundenzahl muss aus gewerkschaftlicher Sicht deutlich reduziert werden, insbesondere um den erheblich angestiegenen Arbeitsbelastungen zu begegnen. Der DGB fordert eine unmittelbare Reduzierung der Pflichtstundenzahl um eine halbe Stunde sowie mehr Deputatstunden, um Zusatzbelastungen auszugleichen. Der Koalitionsvertrag kündigt nun zwar tatsächlich die Entlastung von Schulen und Lehrkräften an, diese soll aber offensichtlich nur anhand einer „Entbürokratisierung durch Straffung und Abschaffung von Berichtspflichten“ sowie durch landesweit 500 zentral finanzierte Verwaltungskräfte erreicht werden. Diese Maßnahmen mögen, wenn sie rasch und ernsthaft umgesetzt werden, tatsächlich zu einer gewissen Entlastung von Lehrerinnen und Lehrern beitragen. Sie können jedoch die überfällige volle Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung nicht ersetzen.
Dass die Koalitionärinnen und Koalitionäre die skandalöse Arbeitslosigkeit von Lehrkräften in den Sommerferien zukünftig vermeiden wollen, ist positiv zu bewerten.
Für das Problem des Lehrkräftemangels an Grundschulen wären jedoch tatkräftigere Maßnahmen erforderlich, als sie im Koalitionsvertrag angekündigt werden. Gerade an den Grundschulen besteht ein ausgeprägter Mangel an ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Leider scheut die Koalition hier ein klares Bekenntnis zu A13 und versteckt sich stattdessen hinter den Kosten und dem Abstimmungsbedarf mit den anderen Bundesländern. Diese Hinhaltetaktik wird nicht aufgehen – zumal immer mehr Bundesländer die überfällige Gleichstellung der Grundschullehrkräfte mit den anderen Lehrämtern umsetzen. Allein die im Koalitionsvertrag angekündigte „Attraktivitätsoffensive“ für mehr Wertschätzung wird nicht ausreichen. Krücken wie das Angebot an Gymnasiallehrerinnen und -lehrer, sich innerhalb eines Jahres für den Grundschulunterricht fortzubilden, helfen hier nicht. Auch aus geschlechterpolitischer Perspektive ist die Absage zur einheitlichen Besoldung aller Lehrkräfte mehr als bedauerlich. Bei den Grundschullehrkräften beträgt der Frauenanteil rund 90 Prozent. Wenn im Koalitionsvertrag die Rede davon ist, im Zusammenhang mit der Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes zu prüfen, ob eine zeitliche Ausweitung des bislang 6-semestrigen Lehramtsstudiums für Grundschule erforderlich sei, dann muss natürlich auch die Bezahlung angepasst werden.
Um den Nachwuchsmangel an Berufsschullehrkräften zu beheben, schlägt die Landesregierung vor, „in Mangellehrämtern und Mangelfächern temporär und bedarfsorientiert mit finanziellen Anreizen wie zum Beispiel Stipendien“ zu operieren. Langfristig wird dies das Problem jedoch nicht beheben. Stattdessen müssen die Pflichtstunden der Lehrkräfte dauerhaft gesenkt, die außerunterrichtlichen Tätigkeiten durch Deputate ausgeglichen, die Klassengrößen reduziert und sonderpädagogische Förderung und sozialpädagogische Unterstützung als personelle Regelausstattung eingeführt werden.
Die angekündigte feste Zuweisung von Förderschullehrkräften mit vollem Stundendeputat an die jeweilige allgemeinbildende Schule ist richtig und überfällig. Allerdings wurde diese auch schon vor fünf Jahren im Koalitionsvertrag angekündigt, ohne dass das CDU-geführte Kultusministerium dies umgesetzt hat. Die angekündigte sonderpädagogische Grundversorgung ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, sie bleibt aber weit hinter einem angemessenen Niveau zurück. Dieses liegt bei einer sozialpädagogischen Fachkraft sowie einer Förderschullehrkraft für drei Klassen. Angesichts einer durchschnittlichen Klassengröße von 20 wäre somit eine rund viermal höhere Zuweisung erforderlich.
Zwar ist es positiv, dass die Landesregierung „weiterhin Hürden abbauen [will], um leistungsstarken Schülerinnen und Schülern im mittleren Bildungsgang den Wechsel auf das Gymnasium während und am Ende der Sekundarstufe I zu ermöglichen“. Letztlich hat die Landesregierung jedoch die Chance verpasst, eine Schule für Alle herzustellen. Die Manifestierung der Trennung der hessischen Schulformen bedeutet eine Vergeudung individueller Talente. Sie ist unsozial und teuer. Die Schule für Alle, die die Gewerkschaften seit Jahren fordern, wäre ein echter Abbau von Hürden und echte Förderung von Chancengleichheit gewesen. Überfällige bildungspolitische Grundsatzentscheidungen bleiben aus, was mit dem Verweis auf den „Elternwillen“ oder die „Wahlfreiheit“ kaschiert wird.
Aus Sicht des DGB ist es zu begrüßen, dass die politische Bildung gestärkt werden soll, indem die Fächer Politik und Wirtschaft an den weiterführenden Schulen nicht mehr abwählbar sein sollen.
Im Koalitionsvertrag schreibt die Regierung: „Im Zuge der Präventionsarbeit an Schulen hat sich auch eine Zusammenarbeit mit der Polizei bewährt“. Präventionsarbeit ist jedoch keine Hauptaufgabe der Polizei. Hier sollte die Sozialarbeit und -pädagogik ausgebaut und gestärkt werden.
Die Bundeswehr hat in der Schule nichts zu suchen. Deswegen sehen wir „[die] Einbindung von Jugendoffizieren der Bundeswehr […] zur Ergänzung thematisch passender und von den Lehrkräften gestalteten Unterrichtseinheiten“ kritisch. In der Schule ist es für Jugendliche am schwersten, sich dem Einfluss der Jugendoffiziere und Karriereberater zu entziehen. Wir setzen uns dafür ein, dass Schule wieder ein Ort des differenzierten Nachdenkens über die Welt und die gezielte Werbung von Kindern und Jugendlichen für die Bundeswehr beendet wird.
Wir begrüßen, dass die Landesregierung die duale Ausbildung stärken will. Jedoch kann eine starke und attraktive Ausbildung nicht langfristig durch eine – von der Landesregierung geplante – Imagekampagne gestaltet werden, sondern muss durch gute Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen und eine gute Ausbildungsqualität gesichert werden. Der Ausbildungsreport der DGB Jugend zeigt jährlich Missstände in der Ausbildung auf. Arbeitgeber setzen sich immer wieder über Regeln und Gesetze hinweg. Hier steht die Landesregierung in der Pflicht, die Kammern zur Einhaltung von Tarifverträgen und Gesetzen aufzufordern und zu kontrollieren. Erst wenn die Qualität in der Ausbildung steigt, werden sich auch wieder mehr junge Menschen für eine Ausbildung interessieren. Die gewerkschaftliche Forderung an die Landesregierung für eine gesetzliche Ausbildungsgarantie bleibt bestehen.
Die Planungen für eine wohnortnahe berufliche Ausbildung, um die Ausbildung auf dem Land zu stärken, sind zu begrüßen.
Auch an beruflichen Schulen sollte die politische Bildung gestärkt werden. Mit dem uneingeschränkten Zugang für DGB Gewerkschaften an beruflichen Schulen könnte hier eine Grundlage gelegt werden.
Die Landesregierung kündigt ein weiteres Kommunales Investitionsprogramm (KIP) an. Die Programme gehen jedoch völlig an der Realität vorbei. Ein KIP III reicht nicht aus, um den aktuellen Investitionsstau zu beseitigen. Notwendig ist eine dauerhaft höhere Finanzierung, um den Investitionsstau vernünftig anzugehen. Es ist zwar zu begrüßen, dass die Landesregierung die katastrophalen Zustände der sanitären Anlagen in Schulgebäuden endlich anerkennt, jedoch sind auch besondere Räumlichkeiten für den geplanten Ganztag erforderlich: Raum zum Spielen, Toben und für kleine Gruppenarbeiten, aber auch Ruheräume, Arbeitsräume für Beschäftigte und nicht zuletzt Räume für das Mittagessen. Die notwendigen baulichen Veränderungen der Schulen gehören zu den kommunalen Pflichtaufgaben. Gerade für Kommunen hat sich der finanzielle Spielraum sehr stark reduziert. In Anbetracht der Schuldenbremse und des kommunalen Rettungsschirms mussten viele Kommunen ihre freiwilligen Leistungen erheblich kürzen.
Im Hochschulbereich sehen wir eine umfassende Entfristungsoffensive als dringlichste Aufgabe der Landesregierung. Erfreulich ist die Vereinbarung im neuen Koalitionsvertrag, dass Stellen für Daueraufgaben auch als Dauerstellen ausgestaltet werden und Kurzzeit- sowie Kettenbefristungen so weit wie möglich begrenzt werden sollen. Allerdings fehlen klare Ziele zur Entfristung und konkrete Vorgaben, was als ‚Daueraufgabe‘ zählt. Die sogenannten Lehrkräfte für besondere Aufgaben zum Beispiel erledigen in Wahrheit Daueraufgaben in der Lehre und müssen daher unmittelbar entfristet werden. Für den geplanten „Kodex für gute Arbeit“ in der Wissenschaft hat die GEW mit dem Herrschinger Kodex bereits eine konkrete Diskussionsgrundlage vorgeschlagen. Hier wird es auf die konkrete Umsetzung ankommen, damit sich diese erfreulichen Ankündigungen tatsächlich in spürbar besseren Arbeitsbedingungen an den Hochschulen niederschlagen. Auch die geplante Verbesserung der Arbeitsbedingungen der studentischen Hilfskräfte ist zu begrüßen – dies gilt auch dafür, den Modellversuch des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte fortzusetzen. Hier fordern wir aber eine transparentere Gestaltung und flächendeckende Bewerbung.
Das Kapitel IV trägt den Titel „Solide Haushalten“ und beschäftigt sich unter anderem mit finanzpolitischen Fragen.
Das Kapitel ist vor allem durch die Vorgaben der Schuldenbremse geprägt, fällt aber insgesamt sehr unkonkret aus. Immerhin wird sich dazu bekannt, „dass das öffentliche Vermögen bewahrt wird“. Weiter heißt es: „Neben solider Haushaltsführung zeichnet sich unsere generationengerechte Finanzpolitik auch dadurch aus, dass sie in die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder investiert. Zukunftsinvestitionen sind eine zentrale Voraussetzung für die gute Lebensgrundlage für alle Menschen in Hessen. Die Koalitionspartner werden daher die Investitionen auf Landesebene weiter erhöhen und auch für die kommunalen Ebenen zusätzliche Investitionsmittel zur Verfügung stellen.“ Die zitierte Passage enthält eine sachlich falsche Aussage: Die Sachinvestitionen auf der Landesebene sind im Trend seit 2010 selbst nominal stark rückläufig und fielen beispielsweise im Jahr 2017 mit einem Wert von 572,4 Millionen Euro fast 10 Millionen Euro geringer aus, als noch im Vorjahr. Eine dringend erforderliche Erhebung des Investitionsstaus – sowohl auf der Gemeinde- als auch auf der Landesebene in Hessen – wird nicht in Betracht gezogen.
Weil das Land aufgrund der Schuldenbremse Einnahmeausfälle bei den Steuern nicht mehr ohne weiteres durch Kredite überbrücken kann, stehen „mit Ausnahme der im Folgenden genannten geschützten Bereiche alle Vorhaben unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. […] Geschützte Bereiche sind der Pakt für den Ganztag, das Hessische Sozialbudget, die Sportförderung sowie der Brand- und Katastrophenschutz.“ Damit wird faktisch eine Haushaltspolitik verfolgt, die sich nicht an einer sachgerechten Aufgabenerfüllung orientiert, sondern sozusagen „auf Sicht“ nach Kassenlage agiert. Vor einer solchen Politik haben die Gewerkschaften immer gewarnt und hier werden unsere Warnungen vor den Folgen der Schuldenbremse etwa im Bereich der öffentlichen Investitionen – wenn auch unfreiwillig – bestätigt.
Vollkommen realitätsfremd ist der vorgesehene aktive und geplante Schuldenabbau: „Für Tilgung der Altschulden wird die Koalition auch künftig eine jährliche Rate in die Finanzplanung aufnehmen und somit bei konjunktureller Normallage zu planmäßiger Rückführung des Kreditbestandes des Landes kommen.“ Ein Abbau der Staatsverschuldung erscheint vollkommen überambitioniert und kontraproduktiv. Aufgrund der Schuldenbremse wird sich die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung, die sich nicht am absoluten Schuldenstand, sondern an der Entwicklung der Schuldenstandsquote (Verhältnis von Schuldenstand zum Bruttoinlandsprodukt) bemisst, quasi automatisch verbessern. Angesichts eines in Hessen bestehenden großen Investitionsstaus, sowohl auf der Landes-, als auch auf der Kommunalebene, sollte die Landesregierung bestrebt sein, einen weiteren Verfall der staatlichen Infrastruktur zu verhindern und den bestehenden Investitionsstau zu beseitigen. Überschüsse im Landeshaushalt sollten unbedingt verhindert werden, um „aus Gründen der Generationengerechtigkeit“ jeden verfügbaren Euro zur Ertüchtigung von Schulen, Straßen und so weiter einzusetzen.
Bemerkenswert ist, dass im Finanzpolitik-Kapitel ein kleines Unterkapitel zu „Beteiligungen, Privatisierungen und Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP)“ zu finden ist. Zwar wird zunächst verkündet, dass eine weitere Privatisierung öffentlicher Einrichtungen nicht angestrebt wird. Danach wird dann aber ÖPP keine generelle Absage erteilt, sondern der folgende Satz ist zu lesen: „Wir stellen sicher, dass öffentlich-private Partnerschaften sowie ähnliche Instrumente zur Errichtung öffentlicher Infrastruktur nur bei nachgewiesenem und überprüftem Wirtschaftlichkeitsvorteil für das Land eingegangen werden.“ Allein schon angesichts der katastrophalen Erfahrungen des Landkreises Offenbach mit der Sanierung seiner Schulen ist dies unverständlich. Investitionen in Form von ÖPP sind immer teurer als konventionelle Investitionen und die Entscheidungsverfahren sind intransparent und undemokratisch. Deshalb wird diese Finanzierungsform von den Gewerkschaften abgelehnt. Angesichts dieser Passage im Koalitionsvertrag sollte die Entwicklung von ÖPP-Projekten sowohl beim Land, aber auch bei den Kommunen, unbedingt kritisch beobachtet werden. Ziel muss es sein, diese Form der Privatisierung öffentlichen Eigentums zu verhindern.
Der Koalitionsvertrag sieht im Kapitel „Extremismus bekämpfen - Demokratie stärken“ vor, „die vielfältigen Maßnahmen der Extremismusprävention und der Demokratieförderung in Hessen […] weiter (zu) stärken und aus(zu)bauen.“ Explizit benannt werden hierbei das in Marburg ansässige „Demokratiezentrum“ (als Teil des Bundesprogramms „Demokratie leben“) und das von dort koordinierte „Beratungsnetzwerk Hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“. Zwar wird vor dem Hintergrund der 2019 endenden Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben“ in Aussicht gestellt, dass „die Zusammenarbeit mit dem Demokratiezentrum Hessen an der Philipps-Universität Marburg ab 2020 fortgesetzt und intensiviert“ wird. Unklar bleibt jedoch, in welcher Form, in welchem Umfang und was dies für das „beratungsnetzwerk“ und nicht zuletzt die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Träger des „beratungsnetzwerks“ bedeutet. Zudem werden weder das Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ (das ebenfalls Ende 2019 endet) noch die 29 kommunal verankerten „Partnerschaften für Demokratie“ erwähnt. Sowohl die beteiligten Trägerorganisationen des „beratungsnetzwerks“, als auch die „Partnerschaften für Demokratie“ benötigen eine sichere Zukunftsperspektive – idealerweise im Rahmen eines Strukturförderungsgesetzes, das die Verstetigung und Institutionalisierung der Arbeit des „beratungsnetzwerks“ zum Ziel hat.
Zu begrüßen ist die – wenn auch nur vage formulierte – Stärkung der Präventionsarbeit, insbesondere die angedeuteten Maßnahmen zur „Prävention in sozialen Netzwerken“, zur Vermittlung von Medienkompetenz (im Bereich Social-Media) in der Schul- und Erwachsenenbildung und in Bezug auf den zu verzeichnenden Anstieg des Antisemitismus.
Als ebenfalls begrüßenswert ist zudem der herausgehobene Stellenwert der Politischen Bildung als „Fundament der Demokratie“ zu werten und die damit einhergehende Ankündigung zur Stärkung derselben im Schulunterricht und in Bezug auf Gedenkstätten in Hessen. Insbesondere die Ankündigung, Schülerinnen und Schülern, Studierenden und Auszubildenden einen kostenfreien Zugang „zu den wichtigen Erinnerungs- und Bildungsorten“ in Hessen zu gewähren, kann als lobenswertes Angebot für einen niedrigschwelligen Zugang zur Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte bewertet werden.
Im Kontext (Anti-)Diskriminierung setzt das Kapitel „Für eine offene und vielfältige Gesellschaft - Antidiskriminierungspolitik stärken, Strukturen für Akzeptanz und Vielfalt verankern“ wichtige Akzente. Dass darin klar und deutlich benannt wird, dass vielfältige Alltagsdiskriminierungen auch in Hessen „gesellschaftliche Realität und kein Randphänomen“ sind und sich das Land Hessen diesem Problem widmen wird, ist ein wichtiges Zeichen an die von Diskriminierung Betroffenen. Wenn auch der Umfang und die Umsetzung der dort aufgeführten Maßnahmen weitgehend undefiniert bleiben, erfüllt die Ankündigung einer „hessenweite(n) Antidiskriminierungskampagne“ sowie die anvisierte Weiterführung und der Ausbau regionaler Antidiskriminierungsnetzwerke und -beratungsangebote mit Landesmitteln wichtige Forderungen zivilgesellschaftlicher (Betroffenen-)Gruppen im Arbeitsfeld.
Die Fachabteilungen des DGB Hessen-Thüringen haben den Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung geprüft und bewertet.