Deutscher Gewerkschaftsbund

10.03.2023

Bildung und Chancen für alle.

Bildung ist ein Menschenrecht. Bildung gilt als eine der grundlegenden Ressourcen für Teilhabe und Mitgestaltung an der Gesellschaft und Grundlage für die Selbstverwirklichung der Menschen. Gute Bildung, Aus- und Weiterbildung sind zentrale Zukunftsthemen. Unser Bildungssystem ist aber noch unzureichend auf die kommenden Herausforderungen eingestellt.

Unter der Überschrift "Bildung und Chancen für alle" bringt der DGB die für ihn wichtigsten Themen zu KiTa, Schule, Aus- und Weiterbildung in die Diskussionen vor der Wahl ein. 

Einfach durchklicken und informieren. 

Bildung und Chancen für alle.

Schüler im Unterricht

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Bildung ist öffentliche Aufgabe

Bildung ist ein Menschenrecht. Bildung gilt als eine der grundlegenden Ressourcen für Teilhabe und Mitgestaltung an der Gesellschaft und Grundlage für die Selbstverwirklichung der Menschen. Auch Deutschland entwickelt sich immer mehr zu einer Wissensgesellschaft. Gleichzeitig hängen die Bildungsbiografien von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik, wie sonst in wenigen Ländern, vom Bildungsstand und sozialen Status der Eltern ab. Dies muss sich ändern.

Wir brauchen Bildungsgerechtigkeit für alle in Hessen lebenden Menschen unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder den finanziellen Möglichkeiten der Eltern.

Ein gutes Bildungssystem hat die Entwicklung von Mündigkeit und Kritikfähigkeit zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe unabhängig von der sozioökonomischen Stellung der Familie. Allen Kindern und Jugendlichen steht das Recht zu, durch Lehr- und Lernprozesse gemeinsam und individuell ihre Persönlichkeiten, Talente und Fähigkeiten zu entwickeln und ein zufriedenstellendes Leben zu führen.

Bildung erfordert qualifiziertes und in ausreichender Zahl vorhandenes Personal und darüber hinaus eine gute Bildungsinfrastruktur. Letztere erfordert angemessene staatliche Investitionen in Gebäude, Ausstattung, Lehr- und Lernmaterial. Als gesellschaftliche Aufgabe sind Bildungsausgaben aus staatlichen Mitteln zu finanzieren. Alle Formen individueller Kostenbeteiligung lehnen wir ab.

Im Bereich der Bildungsinfrastruktur in Hessen besteht ein erheblicher Investitionsstau. So sind z.B. die Schulen in Hessen häufig in einem sehr schlechten Zustand. Wir fordern die Landespolitik auf, den Investitionsstau zu erheben. Dies soll den gesamten Bildungssektor von den Kitas über die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen bis hin zu den Hochschulen umfassen. Wir erwarten umfangreiche Maßnahmenpakete, die die bestehenden Mängel in den kommenden zehn Jahren beseitigen.

Frühkindliche Bildung

Alle Kinder haben einen Anspruch darauf, früh in ihrer Entwicklung gefördert zu werden. Dafür braucht es verbindliche Qualitätsstandards in der Erzieher*innenausbildung und gleichzeitig eine der gesellschaftlichen Bedeutung angemessene Bezahlung. Die Arbeit in den Kitas ist geprägt von steigenden fachlichen Anforderungen bei zugleich niedrigen Personalschlüsseln und hohen krankheitsbedingten Ausfällen.

Angesichts der pädagogischen Herausforderungen, der demographischen Fakten und der Fachkräftesituation ist dringender Handlungsbedarf in der Landespolitik geboten, um gegenzusteuern.

Deshalb benötigt Hessen für dieses Jahrzehnt eine Beschäftigungs- und Qualitätsoffensive, um dem entgegenzuwirken. Die Landespolitik muss gewährleisten, dass sie die von Expert*innen empfohlene Fachkraft – Kind – Relation eingehalten wird, also eine pädagogische Fachkraft pro drei unter dreijährige Kinder und eine pädagogische Fachkraft für 7,5 über dreijährige Kinder. Dafür müssen mehr Erzieher*innen ausgebildet werden. In Hessen fehlen bis zum Schuljahr 2022/23 ca. bis zu 2.500 pädagogische Fachkräfte.

Engagierte Beschäftigte bekommt und hält man im Beruf, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen.

Dazu gehören auch die Entgelte. Es benötigt die materielle und gesellschaftliche Aufwertung des Berufes. Am besten lässt sich das durch Tarifverträge realisieren, die sich am TV-H in Hessen orientieren. Neben dem Entgelt gehört zur Aufwertung des Berufsbildes auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb braucht es die Einführung der 35-Stundenwoche bei vollem Entgeltausgleich und Personalaufstockung.

Um den Qualitätsstandard in den Kitas zu halten, zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, gehört auch, dass das pädagogische Personal in den Kitas aufgestockt wird, anstatt es, wie in Hessen, möglich zu machen, das Fachfremde als Erzieher*innen beschäftigt werden. Mit der Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches ist es möglich bis zu 15 Prozent Beschäftigte zur Mitarbeit einzusetzen und diese als Erzieher*innen gezählt werden, ohne dass sie über deren Qualifikation verfügen. Das verursacht Mehrarbeit für die Fachkräfte und entwertet das Berufsbild.

Hessen hat die Beitragsfreiheit für den Kita-Besuch in den letzten Jahren verbessert. Aber eine allgemeine Beitragsfreiheit für Kinder aller Altersstufen und eine kostenfreie Betreuung über acht Stunden täglich gibt es nach wie vor nicht. In unserer immer anspruchsvolleren und auf Flexibilität der Arbeitnehmer*innen ausgerichteten Arbeitswelt ist eine Betreuungszeit von täglich sechs Stunden ungenügend und steht der Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Eltern entgegen. Die Landesregierung ist aufgefordert die Fördermittel so weit aufzustocken, dass eine kostenfreie Betreuung aller Altersgruppen bis zum Schuleintritt gewährleistet wird.

Gute Schule für alle – eine Schule für Alle

In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, welchen Belastungen Eltern ausgesetzt sind, wenn sie sowohl den Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz gerecht werden müssen und gleichzeitig die Kinderbetreuung zu gewährleisten ist. Gerade für Alleinerziehende ist das häufig schlicht unmöglich. Aber auch in Familien mit zwei Elternteilen ist es ein Spagat, der häufig zu Konfliktsituationen führt. Am Ende der vergangenen Legislaturperiode (2017 - 2021) des Deutschen Bundestages ist deshalb nach jahrelangen Vermittlungsrunden zwischen Bund und Ländern das Gesetz auf einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Schüler*innen im Grundschulalter beschlossen worden. Um mehr Chancengleichheit in der Bildung zu erreichen, setzt sich der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen dafür ein, dass alle Schüler*innen über die Grundschule hinaus länger gemeinsam lernen. Der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen ist davon überzeugt, dass ein Sortieren der Kinder in verschiedene Bildungsgänge Benachteiligungen mit Blick auf die Lernleistungen mit sich bringt und sich Potentiale nicht ausreichend entfalten. Fast alle europäischen Länder setzen auf längeres gemeinsames Lernen, die nur vierjährige gemeinsame Grundschule ist die Ausnahme.

Schüler und Schülerin im Unterricht

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Der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen fordert das Land Hessen auf, den hessischen Sonderweg des „Paktes für den Nachmittag“ zu beenden und ihn in ein regelhaftes Modell einer hessenweiten Ganztagsschule zu überführen.

Der bisherige „Pakt für den Nachmittag“ ist tatsächlich vor allem ein 

Pakt zur Senkung der Kosten für die ganztägige Betreuung von Kindern im Grundschulalter gegenüber der bewährten „Hortpädagogik“ mit definierten Mindeststandards für das Fachkräftegebot, für Gruppengrößen und Räumlichkeiten. Er führt zu einem Flickwerk von Honorarverträgen ohne Tarifbindung, in scheinselbstständiger Tätigkeit und ohne Vertretung durch Personal- und Betriebsräte.

Dabei hat die aktuelle Landesregierung fast ausschließlich auf die Verankerung freiwilliger Angebote mit dem Schwerpunkt der Betreuung der Grundschüler*innen gesetzt. Für die Einführung einer echten Ganztagsschule sprechen aber pädagogische und sozialpolitische Gründe. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag muss dabei im Vordergrund stehen. Die Betreuung der Schüler*innen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, um Eltern unter anderen auch eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Deshalb muss sie auch gesellschaftlich finanziert werden. Dabei sind auch Betreuungsmöglichkeiten über die Ganztagsschule hinaus an den Schulen zu schaffen. Dabei gilt nach wie vor, dass zusätzliche Aufgaben auch zusätzliche Stellen beinhalten müssen.

Um Schulen überall in Hessen in die Lage zu versetzen, den Ganztag gut und zuverlässig planbar zu gestalten und um gute Arbeitsbedingungen im Ganztag zu gewährleisten, fordert der DGB Hessen-Thüringen, nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch die Erzieher*innen im Ganztag direkt beim Land Hessen zu beschäftigen, so wie dies in Thüringen sehr erfolgreich geschieht. Das hessische Modell der UBUS-Kräfte kann hierzu als Vorbild dienen.  

Ganztagsschule erfordert ein pädagogisches Konzept, das unterrichtliche, erzieherische und soziale Angebote miteinander verknüpft. Ganztagsschulen sind ein Beitrag zur Förderung von Chancengleichheit, da mit differenzierenden Angeboten auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingegangen werden kann. In der Ganztagsschule können die unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten von Kindern und Jugendlichen durch besondere Unterrichtsformen wie Projekte, Arbeitsgemeinschaften, Wahl- und Stützkurse, Freizeitaktivitäten sowie sportliche und musisch-ästhetische Angebote besser gefördert werden. Die Ganztagsschule sollte eine Schule für alle Kinder und Jugendlichen sein, die differenzierend auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen reagiert. Deshalb muss die Ganztagsschule auch eine sozialpädagogisch ausgerichtete Schule sein, die Kinder und Jugendliche bei ihren Lebens- und Lernproblemen unterstützt. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf können in der Ganztagsschule besser gefördert werden; Kindern nichtdeutscher Herkunft sollen herkunftssprachliche Unterrichtsangebote und spezielle Förderkurse angeboten werden.

Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule ist zu erweitern, indem Elemente der Sozial- und Jugendarbeit Eingang in den schulischen Alltag finden. Schule und Jugendhilfe sind zusammen mit den Eltern am Bildungs- und Erziehungsauftrag beteiligt. Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe müssen die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen unter ganzheitlichen Aspekten sehen und gemeinsam pädagogische Aktivitäten entfalten.

Die Bedeutung der politischen Bildung muss in allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen gestärkt werden. Angesichts des Anstiegs der politischen Polarisierung in der Bundesrepublik in den letzten Jahren ist es unabdingbar schon Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, wie demokratische Teilhabe funktioniert und wie sie sich konkret einbringen können. Demokratiebildung sollte in den Kerncurricula aller relevanten Fächer fest verankert werden. Darüber hinaus müssen die Stundentafeln entsprechend angepasst und der viel zu hohe Anteil des fachfremd erteilten Unterrichts deutlich reduziert werden. Dadurch werden die Schüler*innen befähigt, sich kompetent mit rechtsextremen Ideologien, Antisemitismus, Verschwörungserzählungen und gruppenbezogener 

Menschenfeindlichkeit auseinanderzusetzen. So werden aus Schüler*innen mündige Bürger*innen, die die Zivilgesellschaft stärken, sich für die Demokratisierung aller Lebensbereiche einsetzen und sich autoritären Strukturen entgegenstellen. Dazu gehören auch die Fragen von Nachhaltigkeit, Ökologie und der Verantwortung der Gesellschaft für die künftigen Generationen. Ebenso gehört gewerkschaftliche Bildung zur Demokratiebildung. Nur wer seine Interessen kennt, kann sie auch wahrnehmen und sich für sie einsetzen. Deshalb sollten bereits in den allgemeinbildenden Schulen Positionen, Aufgaben und Bedeutung der Gewerkschaften in der Bundesrepublik und international zum verpflichtenden Lehrplan gehören. Dafür sollte mit den Gewerkschaften gemeinsam Unterrichtsmodule entwickelt werden.

Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung ist eine Reduzierung der zu hohen Pflichtstunden geboten – in einem ersten Schritt sollte die kommende Landesregierung hier eine allgemeine Kürzung um eine halbe Stunde vornehmen. Lehrerinnen und Lehrer in der Grundschule sind wie ihre Kolleginnen und Kollegen an anderen Schulformen gemäß der Besoldungsgruppe A13 zu bezahlen.

Noch immer steht die Inklusion in Hessen unter einem Ressourcenvorbehalt. Das Recht auf inklusive Bildung, das sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ableitet, kann in Hessen damit nach wie vor verweigert werden. Das ist nicht akzeptabel, da Inklusion als Menschenrecht zu begreifen ist, das gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zusichert. Die öffentliche Hand hat insbesondere die personellen Ressourcen bereitzustellen, um so der Verpflichtung nachzukommen, den Zugang zu einem inklusiven Bildungssystem für alle zu garantieren.

Inklusive Bildung

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Berufliche Bildung und Weiterbildung von Berufsschulkräften und Ausbilder*innen

Die duale Ausbildung steckt nicht erst seit der Corona-Pandemie in einer Krise. Die Situation hat sich in den letzten Jahren jedoch verstärkt. Zum einen finden immer weniger junge Menschen ihren Weg in die Ausbildung, zum anderen bieten immer weniger Unternehmen Ausbildungsplätze an. Hinzu kommen starke regionale Unterschiede in Hessen.

Die hessische Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass alle Schulabgänger*innen, die eine Berufsausbildung anstreben, ein auswahlfähiges Angebot bekommen.

Um Ausbildungsplätze für alle zu schaffen ist es notwendig, dass das Land Hessen die umlagefinanzierte Ausbildungsplatzgarantie einführt, wie sie im Konzept des DGB aufgezeigt wird.

Diese Ausbildungsgarantie sorgt auch dafür, die Fachkräfte von morgen auszubilden und stärkt die Attraktivität der dualen Berufsausbildung.

Umlagefinanzierung über einen Zukunftsfonds

Der DGB fordert eine Umlagefinanzierung durch einen Zukunftsfonds, in den alle Betriebe ab fünf Beschäftigten einzahlen müssen. Experten gehen dafür derzeit von ca. 0,4% der Brutto-Lohnsumme aus. Mit dem Zukunftsfonds werden zwei Ziele verfolgt:

  1. Förderung und Ausbau betrieblicher Ausbildung durch die Finanzierung einer leistungsfähigen Bildungs- und Unterstützungsstruktur inklusive eines Ausgleichs der entstandenen Ausbildungskosten für ausbildende Betriebe.
  2. Finanzielle Absicherung der Kosten für zusätzliche Ausbildungsplätze im Rahmen der Ausbildungsgarantie.

Verbesserung des Übergangsmanagements zwischen Schule und Beruf

Immer weniger junge Menschen finden ihren Weg in die duale Ausbildung. Deshalb muss auch das Übergangsmanagement weiter verbessert werden.

Es braucht einen flächendeckenden quantitativen und qualitativen Ausbau der Jugendberufsagenturen.

Sie müssen als Institutionen Berufsorientierung an allen Schulformen leisten, eine individuelle (ggf. auch aufsuchende) Beratung von jungen Menschen leisten und rechtskreisübergreifend Hilfe und Unterstützung zur Verfügung stellen.

Die Berufsorientierung muss gestärkt werden und an allen Schulformen möglichst früh verankert werden.

Notwendig ist ein besserer Datenaustausch zwischen Schulen und Jugendberufsagenturen mit dem Ziel, das niemand verloren geht.

Der Kriterienkatalog Ausbildungsreife der Jugendberufsagentur ist völlig intransparent und hält junge Menschen von der Ausbildung ab. Er sollte durch den Aufbau von Berufswahlkompetenz abgelöst werden.

Die Assistierte Ausbildung (AsA) muss stärker beworben und genutzt werden. Die AsA kann auch jungen Menschen mit Schwierigkeiten und Nachholbedarf den Weg in eine Ausbildung ebnen. Dafür muss sie aber auch flächendecken eingesetzt werden. Nur so können auch Jugendliche mit Behinderungen, Benachteiligungen und Lernschwierigkeiten eine benötigte vollwertige Berufsausbildung wahrnehmen.

Ebenfalls wäre es hilfreich, wenn die Berufseinstiegsbegleitung in Hessen wieder eingeführt wird.

Bei Bedarf außerbetriebliche Ausbildung schaffen

Für die jungen Menschen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, müssen außerbetriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Die betriebliche Berufsausbildung muss immer Vorrang gegenüber einer außerbetrieblichen Berufsausbildung haben. Erst wenn alle Vermittlungsbemühungen in eine reguläre betriebliche Ausbildung oder Verbundausbildung nicht erfolgreich waren, soll dieser Anspruch greifen. Die Einbeziehung der Sozialpartner ist über die etablierten Gremien der beruflichen Bildung (z. B. Landesausschüsse für Berufsbildung) und der Arbeitsverwaltung sicherzustellen und deren Empfehlungen müssen dabei maßgeblich sein.

Die Unternehmen müssen durch die Arbeitsagenturen stärker informiert und motiviert werden, die bereitstehenden Finanzmittel für die assistierte Ausbildung (AsA) auch abzurufen. Dadurch kann es mehr Jugendlichen mit Förderbedarf gelingen die duale Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen.

Azubi-Wohnen und Mobilität

Gerade in Ballungsräumen ist es für junge Menschen nahezu unmöglich die marktüblichen Mietpreise zu zahlen. Mobilität und auch Wegzug aus dem Elternhaus wird jedoch auch für Auszubildende immer wichtiger. Deshalb fordert der DGB die flächendeckende Einrichtung von Azubi- und Studierenden-Apartments. Die Miete darf für Auszubildende höchstens 25 Prozent der durchschnittlichen Ausbildungsvergütung betragen. Deshalb ist sowohl auf Bundesebene, als auch auf Landesebene ein Förderprogramm für Junges Wohnen nötig.

Die Azubiapartments sollen dabei eine gemeinwohlorientierte Trägerschaft sein. Vorstellbar sind hier Azubi-Werke analog zu den Studierendenwerken.

Dabei ist die Mitbestimmung der Sozialpartner aber auch der Bewohnerinnen und Bewohner sicherzustellen. Für unter 18-Jährige bedarf es einer pädagogischen Begleitung, die zusätzlich finanziell gefördert werden muss. Hier ist eine Rechtsform in Form von Verein oder Stiftung unter Einbeziehung der regionalen Akteure vorstellbar.

Das Schülerticket in Hessen ist ein wirksames Mittel für bezahlbaren ÖPNV in Hessen für Azubis. Ziel muss es jedoch sein ein kostenloses Ticket für den Nahverkehr für Auszubildende bereitzustellen, um die Attraktivität der dualen Ausbildung zu steigern. 

Ausbildung für geflüchtete Menschen

Geflüchteten Menschen muss während der Ausbildung die Möglichkeit der Teilnahme an geförderten, berufsbegleitenden Sprachkursen gegeben werden. Für den DGB ist ein umfassendes Bleiberecht dabei Grundvoraussetzung. Jungen Menschen, die sich in einer schulischen, beruflichen oder universitären Ausbildung befinden und sich eine Zukunft aufbauen möchten, dürfen nicht der ständigen Angst abgeschoben zu werden ausgesetzt sein.

Ausbildung für geflüchtete Menschen

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Der öffentliche Dienst als Vorbild

Die öffentliche Hand in Hessen wird aufgefordert mit gutem Beispiel voranzugehen und die Ausbildungsplatzquote im öffentlichen Dienst zu erhöhen.

In der öffentlichen Verwaltung, im Bereich der Daseinsfürsorge und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung benötigen wir viele engagierte Kolleg*innen die im Dienste der Bürger*innen arbeiten. Um das weiterhin zu gewährleisten, muss im öffentlichen Dienst stärker ausgebildet werden. Damit zeigen das Land und die Kommunen gesellschaftliche Verantwortung, verringern die Arbeitsbelastung der Kolleg*innen und tragen dazu bei, dass sie weiterhin als kompetenter Ansprechpartner bei den Bürger*innen wahrgenommen werden.

Berufliche Schulen stärken

Die sinkende Anzahl von Lernenden in dualen Ausbildungsgängen führt außerhalb der Ballungsräume bereits jetzt dazu, dass Fachklassenstandorte aufgegeben werden. Wir fordern von der Landespolitik ein Konzept zur Entwicklung der Berufsschulen, die eine flächendeckende Abdeckung mit Fachklassen bei weniger Teilzeitschülerinnen und -schülern und steigende Ausstattungskosten realisiert. Zudem müssen die Berufsschulen stärker entsprechend dem Wandel in der Arbeitswelt ausgestattet werden. Dies betrifft zum einen den personellen Bereich und zum anderen die technische Infrastruktur in den Berufsschulen.

Der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen fordert die Landesregierung und die Schulträger auf, mehr Geld für die Modernisierung der Einrichtungen der beruflichen Bildung zur Verfügung zu stellen.

Die Attraktivität der dualen Berufsausbildung bemisst sich auch daran, dass die Berufsschulen, Ausbildungs- und Schulwerkstätten modern ausgestattet sind, um den Anforderungen der Ausbildungsbetriebe und den technologischen Anforderungen gerecht zu werden. Dazu gehört in Zeiten der Digitalisierung und der industriellen Transformation, dass die Auszubildenden die Möglichkeit haben sich mit Technologien wie 3D-Druck, Arbeit mit Exoskeletten, autonom arbeitenden Maschinen, virtual/augmented reality zur Erstellung von 3D-Modellen in technischen Berufen, machine-to-machine-communication, etc. vertraut zu machen, um diese Kompetenzen im Berufsleben auch anwenden zu können. Dazu gehört auch, dass die Lehrer*innen vom Arbeitgeber Qualifizierungen und Weiterbildungen in den beschriebenen Anwendungsgebieten angeboten bekommen, um sich mit den neuen technischen Möglichkeiten vertraut zu machen und um Methoden und Anwendungsbeispiele entwickeln zu können. Zudem müssen die Potentiale der Digitalisierung für eine stärkere Lernortkooperation genutzt werden, da der Lernortkooperation zur Bewältigung der Anforderungen in der beruflichen Bildung besondere Bedeutung zukommt.

Weiterbildung

Der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen fordert das Land Hessen auf, die betrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten zu stärken, indem die vorhandenen Instrumente des „Arbeit-von-morgen“-Gesetzes und das Qualifizierungschancengesetz oder die Möglichkeiten der Nationalen Weiterbildungsstrategie intensiver genutzt werden. Diese sollten gegebenenfalls mit landespolitischen Elementen ergänzt werden. So wären beispielsweise die Weiterentwicklung der Förderung betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen sowie die individuelle berufliche Weiterbildung zwecks Verbesserung von Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz möglich.

Im Rahmen des bestehenden Bundesprogramms „Aufbau von Weiterbildungsverbünden“ oder durch Einrichtung und Förderung von regionalen Innovations-Hubs und Qualifizierungsclustern muss die Attraktivität von Weiterbildungen für Beschäftigte und Unternehmen gestärkt werden.

Durch betriebliche Weiterbildungsmentor*innen können die Betriebsparteien bei der Qualifizierungsplanung v.a. bei der persönlichen Ansprache, individuellen Bildungsbedarfsermittlung sowie der individuellen Begleitung vor und im Weiterbildungsprozess unterstützt werden.

Die berufsbegleitenden Studiengänge müssen weiter ausgebaut werden, damit sich beruflich Qualifizierte mit und ohne Hochschulzugangsberechtigung neben ihrem Beruf fortbilden und einen akademischen Grad erlangen können.

Duales Studium

Solange es keine bundeseinheitliche Definition für ein Duales Studium gibt, erwarten wir von einer neuen Landesregierung, dass sie den Wildwuchs in diesem Bereich begrenzt. Sie muss sich dafür einsetzen, dass beim Dualen Studium das empfohlene Verhältnis zwischen berufspraktischem und hochschulischem Lernen berücksichtigt wird. Im Rahmen eines Dualen Studiums sollen bis zu 50 Prozent der zu erbringenden Leistungen „innercurricular“ beim Praxispartner erbracht werden können. Duale Studienangebote dürfen nicht zu betriebsspezifisch gestaltet sein. Bei ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen muss die Mindestausbildungsdauer, die sich aus den Regelungen des § 8 BBiG ergibt, eingehalten werden. Hierfür hat die Landesregierung mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen Sorge zu tragen.

Es müssen gemeinsame regionale und überregionale Koordinierungs- bzw. Abstimmungsgremien geschaffen werden, in Funktion, Zusammensetzung und Befugnissen analog zu Berufsbildungsausschüssen, also mit Gewerkschaftsvertreter*innen, Vertreter*innen der Arbeitgeber und der Hochschulen sowie Studierende.

Bei der Akkreditierung von dualen Studiengängen muss der betriebliche Teil Berücksichtigung finden. Eine zeitliche und sachliche Gliederung der zu vermittelnden berufspraktischen Kompetenzen soll deshalb vorgeschrieben werden. Praxisanteile, in denen keine Creditpoints erworben werden, lehnen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften ab. Die Arbeitsbelastung muss in den Studiengangkonzepten vollständig abgebildet sein. Sollte es aufgrund noch fehlender Tarifbindung, dual Studierende geben, deren Vergütung nicht an einen Tarifvertrag gekoppelt ist, muss eine Mindestausbildungsvergütung gezahlt werden. Diese soll bei mindestens 80 Prozent der bundesweiten durchschnittlichen tariflichen Vergütung aller Branchen des jeweiligen Studienjahres liegen.

Hochschulen – mehr Entfristung wagen!

Lehrer an SmartboardTrotz des neuen Hochschulpaktes 2021-2025, mit einer erhöhten Finanzierung der Hochschulen, befindet sich die Grundfinanzierung der Hochschulen weiterhin in einer schwierigen Lage und wird sich durch die Kürzungen von Forschung und Internationalisierung perspektivisch deutlich verschlechtern. Eine Fokussierung auf Spitzenforschung und Exzellenz lehnen wir ab.  Daher fordert der DGB Hessen-Thüringen eine deutliche und nachhaltige Erhöhung der finanziellen Ausstattung der Hochschulen auf Basis einer stabilen und bedarfsgerechten Grundbudgetierung, bei der sich auch bei steigenden Studierendenzahlen die Mittel pro Studierender*m deutlich erhöhen.

Für gute Arbeit an den hessischen Hochschulen muss die neue Landesregierung den ‚Kodex guter Arbeit‘ überprüfen und dabei die Bedürfnisse der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen - nicht die der Hochschulleitungen. Zeitgleich reicht es nicht mehr aus, Professuren zu schaffen, die in die Kapazitätsberechnung einfließen, aber keine reale Entlastung vor Ort bringen. Stattdessen muss die neue Landesregierung die realen Arbeitsbedingungen an den Hochschulen verbessern. Dazu gehören eine deutliche Reduzierung der Lehrverpflichtung, insbesondere an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, eine Entfristungsoffensive zu starten und vermehrt Dauerstellen für Forschung und Lehre unterhalb der Professur zu etablieren sowie gleichzeitig, insbesondere bei dem nicht-wissenschaftlichen Personal, die Bezahlung nach den tatsächlichen Tätigkeiten zu gestalten. Innovative Forschung und Lehre entstehen nur mit nachhaltigen Beschäftigungsbedingungen, und bietet dann auch eine gute Lehr-Lern-Umgebung für die Studierenden. Die Hochschulen müssen unter staatlicher Verantwortung und Steuerung bleiben. Gleichzeitig muss die neue Landesregierung Mitbestimmung und Demokratie an den Hochschulen sicherstellen und ausweiten. Auch an den Hochschulen braucht es eine stärkere Förderung von Inklusion, Diversität und Gleichstellung. Geflüchteten Studierenden und Wissenschaftler*innen muss eine Teilhabe, u.a. durch Sprachkurse und finanzielle Unterstützung ermöglicht werden. Sie brauchen mehr als nur eine kurzfristige Perspektive.

Lehrer an Smartboard

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Gesellschaftspolitische Bildung

Zum Erhalt einer demokratischen Grund- und Wertehaltung gehört eine kontinuierliche, interdisziplinäre, lebenslange gesellschaftspolitische Bildungsarbeit. Dazu bedarf es einer Aufwertung der politischen, allgemeinen und kulturellen Weiterbildung gegenüber der beruflichen Weiterbildung.

Demokratiebildung und politische Bildung müssen über Förderprogramme weiter strukturell gefördert und weiterentwickelt werden. Gerade in einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Unsicherheiten und wachsender Fremdenfeindlichkeit ist gesellschaftspolitische (Weiter)Bildung notwendiger denn je. Sie gilt es, sowohl im Rahmen des Hessischen Bildungsurlaubsgesetzes als auch im Hessischen Weiterbildungsgesetz weiter zu stärken und auszubauen. Dies umso mehr, seit wir durch die Corona-Krise ein weiteres Erstarken rechtspopulistischer, demokratiefeindlicher Strömungen und einen wachsenden Glauben an Verschwörungsmythen erleben müssen. Diese besorgniserregende Entwicklung wird uns auch in den kommenden Jahren massiv beschäftigen. Daher muss das Ziel in den nächsten Jahren sein, die gesellschaftspolitische Bildung im Bildungsurlaub nachhaltig voranzubringen, indem der Anteil politischer Bildungsurlaubsangebote gesteigert und neue Teilnehmendengruppen angesprochen werden, die bisher nicht oder wenig an politischer Weiterbildung partizipieren. Die Landesregierung sollte hierzu die gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen schaffen. Das Bildungsurlaubsgesetz in Hessen muss evaluiert, fortgeschrieben und weiter-entwickelt werden. Dabei muss es an die aktuellen Entwicklungen, welche die Möglichkeiten des digitalen Lernens bieten, angepasst werden.

Aufgabe der Politik muss es sein, die gesellschaftspolitische Bildung endlich der formalen Weiterbildung gleichzustellen und deutlich mehr zu fördern.

Dazu gehört auch die institutionelle Förderung der freien Träger in der Bildungsarbeit zu verstetigen, um Beschäftigte unbefristet einstellen zu können. Nur so ist gewährleistet, dass Projekte kontinuierlich fortgeschrieben und inhaltlich weiterentwickelt werden können.

Mit Blick auf die Novellierung des hessischen Weiterbildungsgesetzes gilt es, sowohl die an eine Zusammenarbeit mit Hessencampus gebundene Sonderförderung in die Regelförderung des Weiterbildungsgesetzes zu überführen, als auch die derzeit im Weiterbildungspakt geregelte jährliche Erhöhung der Grundförderung sowie den Projektbereich im Weiterbildungsgesetz zu verankern.

Eine Aufwertung von gesellschaftspolitischer Bildungsarbeit muss sich auch in einer Erhöhung der Anzahl der geförderten Unterrichtsstunden für die anerkannten freien Träger der Erwachsenenbildung widerspiegeln. Gleichzeitig müssen Zugangshindernisse zu entsprechenden Bildungsangeboten abgebaut werden. So kann durch eine Bezuschussung der Kinderbetreuung in Seminaren z.B. die Vereinbarkeit von Familie und Weiterbildung erleichtert werden.

politische Bildung braucht Austausch

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